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Tohuwabohu

Tohuwabohu

Titel: Tohuwabohu
Autoren: Tom Sharpe
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mystischer Einsicht, die totale Trennung von seinem Körper. Es dauerte ein bißchen, ehe er wieder zur Welt körperlicher Empfindungen zurückkehrte, zu lange jedenfalls, um noch etwas von dem Donnerschlag zu hören, der von Jacaranda Park in Richtung auf die Drakensberge zurollte. Mit dem starren Blick eines wachgerüttelten Traumwandlers und dem versengten Schnurrbart von jemandem, der zu nahe an einem ungeheuer dicken Gewehrlauf gestanden hat, blickte er auf die Szene um sich herum. Die sah nicht so aus, als könne sie einen Menschen, der an seinem Verstand zweifelt, einigermaßen beruhigen.
    Wachtmeister Eisens Auseinandersetzung mit dem Dobermann hatte sich durch den Riesenradau, um es milde auszudrücken, etwas zugespitzt. Es war schwer zu sagen, welche der beiden Bestien das Krachen der Elefantenbüchse verrückter gemacht hatte. Der Hund, der sich zunächst in Wachtmeister Els’ Fußknöchel bis durch zum Knochen verbissen hatte, hatte seine Aufmerksamkeit inzwischen auf dessen Lendengegend konzentriert und, erst einmal dort angelangt, alle Anzeichen einer Kieferklemme an den Tag gelegt. Els bot nichts, in das er beißen konnte, außer dem Hinterteil des Dobermanns, und da er auch jetzt wie stets am Althergebrachten hing, wandte er seine Taktik an, die er sich in mehreren tausend Verhören von Afrikanern angeeignet hatte: Er nannte das Verfahren fröhlich »Eiersalat«, aber in den Obduktionsberichten über einige seiner Patienten wurde es als schwere Hodenquetschung bezeichnet. Kommandant van Heerden wandte die Reste seiner ihm noch gebliebenen Aufmerksamkeit von diesem unerfreulichen Schauspiel ab und versuchte, einen Blick auf Miss Hazelstone zu werfen, die verblüfft, aber zufrieden in ihrem Korbsessel lag, wohin der Rückstoß der Flinte sie geworfen hatte. Durch seine angesengten Wimpern hindurch nahm der Kommandant vage wahr, daß sie mit ihm sprach, denn sie bewegte ihre Lippen, aber es dauerte ein paar Minuten, ehe er sein Gehör so weit wiedererlangt hatte, daß er aus dem, was sie sagte, klug wurde. Nicht daß er ihre Bemerkungen als besonders hilfreich empfunden hätte. Es schien ihm ausgesprochen natürlich, was sie immer wieder sagte: »Da haben Sie’s. Ich habe Ihnen doch gesagt, ich könnte mit dem Gewehr schießen.« Und der Kommandant begann sich zu fragen, ob er zu Luitenant Verkramp nicht ein bißchen ungerecht gewesen sei. Miss Hazelstone war wirklich eine Frau, die vor nichts zurückschreckte.
    Ihre zweite Schießübung hatte zerstört, was von dem Sockel, auf dem Sir Theophilus’ Büste gestanden hatte, noch übrig gewesen war, und da sie auch auf die Erde gezielt hatte, waren alle Spuren von Fünfpennys eben noch devotem Leichnam fast getilgt. Fast, aber nicht völlig, denn zu den bruchstückhaften und weit verstreuten Überresten von Sir Theophilus’ Büste auf ihren weit voneinander entfernten Rasenfleckchen hatten sich die nicht weniger bruchstückhaften und weit verstreuten Überreste des verblichenen Zulu-Kochs gesellt, während schwarze Hautfetzchen wie Schnecken an den zerschossenen Stämmen der Gummibäume klebten, die den einst unberührten Rasen säumten. Kommandant van Heerden brachte nicht den Mut auf, das Auge auf einen runden, schwarzen Gegenstand zu richten, der den Versuch nicht aufgab, immer wieder die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, indem er wehmütig von einem Ast im oberen Teil eines im übrigen prachtvollen blauen Gummibaums herunterbaumelte. Durch die Mitte des Rasens hatte die Elefantenbüchse eine etwa zwanzig Zentimeter tiefe und fünfzehn Meter lange schnurgerade Rinne gekerbt, von deren ausgezackten Rändern etwas aufstieg, wovon der Kommandant verzweifelt hoffte, es sei Dampf. Da er das Gefühl hatte, daß ihn die Anstrengungen des Nachmittags und seine eben gemachten übersinnlichen Erfahrungen von den Normen der Höflichkeit befreiten, die er zuvor in Miss Hazelstones Gegenwart eingehalten hatte, setzte sich der Kommandant unaufgefordert in einen Sessel, schön außerhalb jedes möglichen Schußwinkels dieser fürchterlichen Elefantenbüchse, und sah mit der Miene eines Kenners Wachtmeister Els’ Gladiatorenkampf mit dem Dobermann zu. Alles in allem schienen ihm beide, was ihren Körperbau und das geistige Erfassen der Lage betraf, recht gut zueinander zu passen. Natürlich hatte Els den Nachteil, einen kleineren Kiefer und weniger Zähne zu besitzen, aber was ihm an Beißkraft abging, das machte er an Konzentration und Kastrationserfahrung wieder
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