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Tohuwabohu

Tohuwabohu

Titel: Tohuwabohu
Autoren: Tom Sharpe
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die, die blieben und nicht auf dem Soldatenfriedhof in Fort Rapier begraben wurden, bauten sich ihre Häuser so nahe am Amtssitz des Gouverneurs, wie es ihnen Dienstalter und Schulden gestatteten.
    Solange die Garnison blieb, gedieh Piemburg. Für kurze Zeit war Piemburg sogar lebhaft und bunt. Das Garnisonstheater wurde durch Aufführungen von Dramen und Revuen, die ein großer englischer Schauspieler und Dramatiker auf die Beine stellte, zu einer glänzenden Einrichtung und bezauberte den Gouverneur und seine Gattin. Auf Wohltätigkeitsbasaren und Gartenfesten schimmerten die Sonnenschirmchen und Turnüren der Ehefrauen, die das überraschende Glück gehabt hatten, Männer zu heiraten, deren Mittelmäßigkeit mit der Versetzung in diese entlegene Ecke des Empires belohnt wurde und die so aus den kleinkarierten Vororten und den Zweifamilienhäusern Südlondons zur Pracht der Rasenflächen und Boskette Piemburgs entführt worden waren. Der Geschmack der viktorianischen unteren Mittelschicht prägte sich Piemburg unauslöschlich auf und blieb bis heute derselbe. Und zu dem Geschmack gesellte sich das unwandelbare Gefühl für Rangordnungen. Von den Vizekönigen und Gouverneuren abwärts über die Generäle, Vizegouverneure und Colonels erstreckten sich die Dienstgrade, nach unten zu immer breiter werdend, durch feine Unterschiede hindurch, die zu subtil sind, als daß man sie alle aufzählen könnte, wo Schulen und die Berufe von Schwiegervätern und ein aufgegebenes »ch« oder ein einziges beibehaltenes »g« einen Major in die Lage versetzen konnten, im Nu einen Oberstleutnant im Dienstrang zu überholen. Die unterste Stufe nahmen die einfachen Soldaten in der Söldnertruppe ein. Unter diesen Parias kam nichts mehr. Zulus wetteiferten mit Pondos, Mischlinge mit Indern. Was da unten vor sich ging, interessierte schlicht und einfach niemanden. Das einzige, was man wissen mußte, war, daß es irgendwo noch weiter unterhalb von den loyalen Zulus und den unzuverlässigen Pondos die Buren gab. Und so ging das bis zum Krieg. Die Buren wuschen sich nicht. Die Buren waren feige. Die Buren waren dämlich. Die Buren waren ein krankhafter Auswuchs, der den Weg nach Kairo versperrte. Piemburg ignorierte die Buren.
    Und dann kam der Burenkrieg, und als die Buren den Offizieren von Fort Rapier die Monokel aus den Augen schossen, wobei sie kühl und berechnend darauf warteten, daß ihnen ein von der Sonne zugespiegeltes Zeichen ein lohnendes Monokelziel signalisierte, da kam ein neuer Respekt in Piemburg auf. Die Buren konnten richtig schießen. Die Buren waren schlau. Die Buren waren jetzt der Feind. Und nur einen Augenblick später waren die Buren schon keine Feinde mehr. Kaum war das Hindernis auf dem Weg nach Kairo und zu den Goldminen beseitigt, trat Piemburg seinen raschen Niedergang an. Als die Garnison abzog und die Kapellen zum letzten Male »Goodbye Dolly Gray« spielten, versank Piemburg in tiefen Schlaf. Wie eine vollgefressene Puffotter lag es aufgebläht und zusammengerollt in der afrikanischen Sonne und träumte von den kurzen Tagen seines Ruhms. Nur der Sinn für Rangordnungen blieb, um sich im fruchtbaren Klima seiner eigenen Mittelmäßigkeit weiter auszubreiten. Die Häuser standen da und starrten auf den Kranz der Hügel, und auf ihren Veranden saßen die Söhne und Enkelsöhne der Feldwebel, Furiere und Offiziersanwärter und heuchelten eine Würde, die ihre Vorfahren nie gekannt hatten. In Piemburg stand die Zeit still, abzulesen nur am Staub, der sich auf den Häuptern der ausgestopften Löwen sammelte, die im Alexandra Club vermoderten, und am leise vor sich hin tröpfelnden Snobismus. Piemburgs Mittelmäßigkeit war boshaft und wartete geduldig darauf, daß etwas passierte.

Kapitel 2
    Kommandant van Heerden hatte nur wenige Illusionen, was ihn selber betraf, aber sehr viele, was alles übrige anging. Und seinen Illusionen hatte er es zu verdanken, daß er mit der Leitung des Polizeireviers in Piemburg beauftragt worden war. Das war kein sehr beschwerlicher Posten. Piemburgs Mittelmäßigkeit brachte nicht mehr als kleine Vergehen zustande, und im Polizeipräsidium in Pretoria hatte man den Eindruck, wenn Kommandant van Heerdens Ernennung möglicherweise auch die Anzahl der Verbrechen in der Stadt nach oben treiben könnte, so trüge sie doch letztlich dazu bei, die Wogen der Diebstähle und Gewalttaten zu glätten, die sich erhoben hatten, als er in andere, aufmüpfigere Städte abkommandiert worden
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