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Die Bettelmoenche aus Atlantis

Titel: Die Bettelmoenche aus Atlantis
Autoren: Stefan Wolf
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1. Vor Jugendsekten wird gewarnt
    Wer morgen Geburtstag hat – so könnte man meinen –, ist heute schon in bester Stimmung. Aber auf Studienrat Bäumler schien das nicht zuzutreffen. Ernst und kummervoll, als müsse er eine Grabrede halten, kam er in die 9b.
    Es war die fünfte Stunde. Gegenwartskunde stand auf dem Programm. Ein Fach, das nicht jeder Schüler mochte. Aber Bäumler konnte selbst den trockensten Stoff spannend gestalten. Nicht zuletzt deshalb war er überaus beliebt.
    Vor den Fenstern summten Bienen. Die Sonne tauchte den Pausenhof in gleißendes Licht. Es war Ende Mai, kurz vor den Pfingstferien.
    »Was ich heute mit euch besprechen möchte«, sagte Bäumler, »gehört eigentlich nicht zum Lehrplan.Aber leider gibt es dafür einen traurigen Anlass.«
    Er schob eine Hand in die Tasche, zog sie wieder heraus und warf einen Blick auf die Innenfläche. Das sah aus, als benutzte er einen Spickzettel. Einige Schüler grinsten, obwohl sie wussten, dass Bäumlers Geste lediglich eine Angewohnheit war. Wahrscheinlich diente sie gedanklicher Sammlung.
    »Ihr alle«, fuhr er fort, »habt schon von Sekten gehört. Es gibt heutzutage eine Vielzahl dieser – ich will sie mal nennen: Ersatzreligionen. Die meisten Sekten sind gefährlich – sogar lebensgefährlich. Ich erinnere nur an den fanatischen Sektengründer Jim Jones, der sich Volkstempel-Prophet nannte und im Dschungel von Guayana in Südamerika 914 Menschen zum Massenselbstmord anstiftete. Das ist eine grausige, unbegreifliche Tatsache und noch nicht lange her. Sicherlich könnt ihr euch an die Presseberichte erinnern.«
    Bäumler blickte umher. Jetzt grinste niemand mehr. Und die ganz Schlauen wussten bereits, worauf er hinaus wollte.
    »Diese Sekten sind also Gruppen. Sie bemühen sich, ihre Mitgliederzahl zu vergrößern. Besonders Jugendliche werdenangesprochen. Sie, denen oft noch der nötige Durchblick fehlt, sind willkommene Mitglieder. Bei den Sekten gibt es immer einen so genannten >göttlichen Führer‹. Der behauptet, den einzig wahren Weg zur Erlösung der Menschheit gefunden zu haben. Das ist sein Anspruch und sein Pfund, mit dem er wuchert. Um dieses edle Ziel zu erreichen, baut er eine straff organisierte Sekte auf, deren Mitglieder ihm fast immer blindlings gehorchen müssen. Als Gegenleistung versichert er ihnen, dass sie die Auserwählten und Geretteten sind.«
    Bäumler machte eine Pause und informierte sich wieder in seinem Handteller.
    »Was von den Mitgliedern einer Sekte verlangt wird, ist unterschiedlich. Das heißt, jeder >göttliche Führer‹ hat seine eigene Methode. Das Ziel ist jedoch immer das gleiche: Der >göttliche Führer‹ wird über kurz oder lang Millionär, Multi- Millionär. Zwar predigt er Bescheidenheit und Rückkehr zum einfachen Leben, aber das hält ihn nicht davon ab, heimlich in Saus und Braus zu leben. Denn er hat ja genug Dumme gefunden, die diesen Humbug glauben und ihm die Sache ermöglichen.«
    Klößchen, der interessiert zugehört hatte, meldete sich. »Ja, Willi?«, sagte Bäumler.
    »Ich begreife das nicht«, meinte Klößchen. »Sicherlich – Dummheit ist mindestens so verbreitet wie Schnupfen. Aber wer bis drei zählen kann, wird doch nicht im Verein eines so offensichtlichen Betrügers mitmachen. Überhaupt: Was müssen Sekten-Mitglieder denn tun, damit es dem >göttlichen Führer‹ gut geht und sie sich Auserwählte nennen dürfen?«
     
    »Eine gute Frage«, sagte Bäumler. »Ich hätte es ohnehin erklärt. Viele Sekten fordern von ihren Mitgliedern, dass sie aus ihrem bisherigen Leben aussteigen und nur noch für die Sekte da sind – und arbeiten. Bei Jugendlichen bedeutet das immer: Sie laufen von zu Hause weg, tauchen unter, findenZuflucht in einem der Sektenquartiere, verstecken sich dort, erhalten falsche Papiere, verändern ihr Aussehen und werden dann im Sinne der Sekte geschult. Ihr Arbeitstag umfasst oft zehn Stunden und mehr. Und ihre Arbeit ist fast immer: Bettelei. Man glaubt gar nicht, wie oft die Portmonees argloser Leute aufgehen. Und wie einträglich die Bettelei ist. Das Geld freilich liefern die Sekten-Mitglieder auf Heller und Pfennig ab. Sie selbst erhalten nur karges Essen, eine Schlafstelle im Sektenquartier und eine abenteuerliche Kluft, die so genannte Sekten-Uniform. Diese Gewänder sind oft den Mönchskutten nachempfunden. Und jene, die drinstecken, nennt der Volksmund: Bettelmönche.«
    »Und das alles«, warf Tarzan nach kurzem Handzeichen ein, »für ein
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