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Tohuwabohu

Tohuwabohu

Titel: Tohuwabohu
Autoren: Tom Sharpe
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Sir?« fragte Els.
    Kommandant van Heerden zögerte. Er wollte kein Blutbad oben am Haupttor von Jacaranda Park. Auf der anderen Seite war die Lage einfach so verzweifelt, und ein einziges Wörtchen an die Presse würde Zeitungsleute rudelweise herlocken, daß er bereit war, drastische Maßnahmen zu ergreifen. »Ja«, sagte er schließlich. »Sie dürfen schießen.« Und da er sich plötzlich erinnerte, was es für ein Geschrei gegeben hatte, als ein verwundeter Reporter ins Krankenhaus von Piemburg hatte geschafft werden müssen, setzte er hinzu: »Und treffen Sie gleich richtig, Els, treffen Sie richtig.« Klagen aus dem Leichenschauhaus waren leichter zu widerlegen. Kommandant van Heerden ging wieder ins Haus, und Wachtmeister Els machte sich auf den Weg, um das Haupttor zu bewachen. Er war noch nicht weit gegangen, als ihm der Gedanke kam, die Elefantenbüchse garantiere ihm mit Sicherheit, daß nichts Größeres als eine Küchenschabe lebend aus Jacaranda Park herauskäme. Er kehrte um und holte sich die Waffe von der Veranda, dann stapfte er, nachdem er sich noch mit ein paar Schachteln Revolvermunition aus dem Polizeiwagen versorgt hatte, frohen Herzens die Auffahrt hinauf. Als Kommandant van Heerden ins Zimmer trat, sah er mit Erleichterung, daß Miss Hazelstone noch immer wie erstarrt in ihrem Sessel saß. Zumindest ein Problem war jetzt gelöst. Nicht ein Wort von den Injektionen würde Wachtmeister Els zu Ohren kommen. Der Gedanke, was das nach sich ziehen könne, sollte Els von diesem neuen Zeitvertreib Wind bekommen, war dem Kommandanten sorgenvoll im Kopf herumgegangen. Es hatte in letzter Zeit sowieso schon genug Klagen von Nachbarn über die Schreie gegeben, die aus den Zellen des Piemburger Polizeireviers drangen, ohne daß Wachtmeister Els den Häftlingen peinvolle Penisinjektionen verabreichte. Und Els hätte sich nicht damit zufriedengegeben, Novocain zu spritzen. Er wäre zu Salpetersäure übergegangen, ehe man hätte Apartheid sagen können.
    Nachdem Els erst einmal weg war, konnte der Kommandant an den nächsten Schritt denken. Er ließ Miss Hazelstone in ihrem Sessel sitzen und ging zum Telefon, das im Topfpflanzendschungel in der Halle versteckt war. Er machte zwei Anrufe. Der erste ging an Luitenant Verkramp im Polizeirevier.
    Später sollte sich Luitenant Verkramp an dieses Telefongespräch mit dem Schauder erinnern, der einen immer befallt, wenn man sich noch einmal der ersten Vorzeichen einer Katastrophe erinnert. Damals hatte er sich bloß gefragt, was zum Teufel dem Kommandanten eigentlich fehle. Van Heerden hörte sich an, als sei er nahe an einem Nervenzusammenbruch. »Verkramp, sind Sie’s?« kam seine Stimme in einem erstickten Flüsterton durchs Telefon.
    »Natürlich bin ich’s. Was zum Kuckuck haben Sie denn sonst gedacht?« Verkramp verstand die Antwort nicht, aber sie klang so, als versuche der Kommandant etwas sehr Unappetitliches runterzuschlucken. »Was ist denn los? Stimmt mit Ihnen irgend etwas nicht?« erkundigte sich Verkramp hoffnungsvoll. »Hören Sie auf, blöde Fragen zu stellen, und hören Sie zu«, flüsterte der Kommandant barsch. »Ich möchte, daß Sie jeden einzelnen Polizeibeamten in Piemburg in die Kaserne zurückrufen.«
    Luitenant Verkramp war entsetzt. »Das geht doch nicht«, sagte er. »Das Rugbyspiel läuft im Augenblick. Das gibt einen Heidenaufstand, wenn ...«
    »Es gibt einen Heidenaufstand, wenn Sie’s nicht tun«, schnauzte der Kommandant. »Das war Nummer eins. Zweitens, jeder Urlaub, inklusive Krankenurlaub, ist gestrichen. Verstanden?«
    Luitenant Verkramp war nicht sicher, was er verstanden hatte. Es hörte sich an, als wäre der Kommandant übergeschnappt. »Rufen Sie alle Mann in die Kaserne zurück«, fuhr der Kommandant fort. »Ich will jeden einzelnen in voller Bewaffnung und so schnell wie möglich hier haben. Bringen Sie auch die Schützenpanzer und die Schäferhunde mit, ach, und vergessen Sie die Suchscheinwerfer nicht. Bringen Sie allen Stacheldraht, den wir besitzen, und die Tollwutschilder mit, die wir bei der Seuche letztes Jahr benutzt haben.«
    »Die Tollwutschilder?« brüllte Luitenant Verkramp. »Sie wollen die Schäferhunde und die Tollwutschilder?«
    »Und vergessen Sie die Beulenpestschilder nicht. Bringen Sie sie auch mit.«
    Luitenant Verkramp versuchte, sich den ungeheuerlichen Seuchenausbruch in Jacaranda Park vorzustellen, bei dem die Bevölkerung sowohl vor der Tollwut als auch vor der Beulenpest gewarnt werden
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