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0472 - Der Tiefsee-Teufel

0472 - Der Tiefsee-Teufel

Titel: 0472 - Der Tiefsee-Teufel
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Annähernd 400 Jahre danach hatten es sich Professor Zamorra und seine Lebensgefährtin und Sekretärin Nicole Duval auf den Stühlen um ein Tischchen so bequem wie möglich gemacht, das auf der Terrasse eines Lyoner Restaurants stand und ihnen den Blick über die Rhône und die dahinter liegende presqu'ile bot, jener schmalen Landzunge zwischen den sich etwas weiter südlich vereinigenden Flüssen Saône und Rhône, wo sich die wichtigsten Geschäftsstraßen dieser ameisenbauähnlich wimmelnden Stadt befanden. Am Ostufer sah es nicht wesentlich ruhiger aus, sehr ruhig war es dafür in dem Lokal, in welchem Zamorra und Nicole die momentan einzigen Gäste waren.
    Zamorra konnte sich nicht vorstellen, daß das Nobelrestaurant immer um diese Tageszeit so menschenleer war, denn dann hätte der Besitzer längst Konkurs anmelden dürfen. An den fehlenden Parkplätzen vor dem Haus konnte der Gästemangel auch nicht liegen; an so etwas gewöhnten die Lyoner sich schnell, die Halteverbotsschilder ohnehin als Markierungen betrachteten, um ihre irgendwo und irgendwie wahllos abgestellten Fahrzeuge wiederzufinden.
    Die Bedienung war auch erstklassig und ließ keine Wünsche offen. Trotzdem wollte es Zamorra nicht gefallen, hier zu zweit allein auf der Terrasse zu sitzen und Däumchen zu drehen, und wenn Nicole nicht wieder mal erfolgreich eine Einkaufs-Orgie durchgesetzt hätte, um sich mit der neuesten Frühjahr-Sommer-Mode einzudecken, und Zamorra nur deshalb zugestimmt hatte, weil es in Lyon ein paar Francs preiswerter war als im derzeit von der Mickey-Maus fanatisch besessenen Paris, hätte er diese Fahrt bereits als sinnlos abgeschrieben.
    Seit dreißig Minuten warteten sie auf Mister Mike Beaucasser, der seinen anglofränkischen Mischnamen seiner amerikanischen Staatsbürgerschaft und seinen französischen Vorfahren verdankte. St. Louis war als Heimatadresse angegeben. Aber das allein konnte Zamorra für diesen ihm bislang unbekannten Mann noch nicht einnehmen, obgleich er selbst sowohl einen französischen als auch einen US-amerikanischen Paß besaß.
    »Wenn er in den nächsten zehn Minuten nicht auftaucht, verschwinden wir. Ich bin nicht daran interessiert, mir Lyons Abgase länger als nötig in die Nase wehen zu lassen, weil hier die Autos zu Stautos werden«, entschied Zamorra.
    »Wir können ja nach drinnen gehen, nur gefällt's mir da erst recht nicht, weil die Sonne hier draußen prachtvoller scheint«, schlug Nicole vor. Sie hatte recht; die Aprilsonne meinte es wirklich gut und wärmte wunderbar; eine Wohltat nach den kühlen Regen- und Sturmtagen der letzten Zeit. Deshalb konnte Nicole auch in ihrer modischen Sommergarderobe nicht frieren, die aus hochhackigen Schuhen, einem so kurzen wie engen Rock und einer Kostümjacke bestand, unter der deutlich erkennbar nur Haut getragen wurde. Zamorra wurde es in seinem Anzug unter der hellen Frühlingssonne schon fast zu warm.
    Mit dezentem Schwung zog ein kobaltblauer Bentley Mulsanne an Zamorras metallicsilbernen BMW 735i vorbei, der den letzten legalen Parkplatz belegte, und stoppte ein paar Meter weiter im absoluten Halteverbot. Der Fahrer stieg aus und kam auf die Restaurantterrasse zu. Zamorra hob die Brauen. »Ob er das ist und jetzt kommt, weil er meine Ankündigung telepathisch aufgefangen hat?«
    »Jedenfalls gibt er sich nicht mit einem profanen Rolls-Royce zufrieden, sondern fährt etwas nobler Bentley«, stellte Nicole fest. »Das spricht für seine Kreditwürdigkeit.«
    Der blonde Mann, etwa Anfang Dreißig, in Designer-Jeans und Seidenhemd so gar nicht mit der Würde vereinbar, die sein Wagen ausstrahlte, tauchte an ihrem Tisch auf und verneigte sich leicht. »Professor Zamorra? Mademoiselle Duval? Ich freue mich, daß Sie die Freundlichkeit besaßen, trotz meiner Verspätung auf mich zu warten. Aber ich wurde aufgehalten. Es gab eine Flugverspätung. Natürlich werde ich Ihren Zeitaufwand entsprechend vergüten. Ich bin Beaucasser. Darf ich Platz nehmen?«
    »Sie dürfen«, gestattete Nicole gnädig. »Sie sind also der Mann, der uns diese mysteriöse Einladung zukommen ließ. Treffen Sie Ihre Verabredungen immer in so leeren Lokalen?«
    »Pardon, Mademoiselle«, lächelte Beaucasser. »Aber ich mag die ungeteilte Aufmerksamkeit des Personals. Deshalb erlaubte ich mir, dieses Restaurant für den heutigen Nachmittag komplett zu mieten. Hat man Ihnen schon die Karte vorgelegt?« Er schnipste mit den Fingern, und gleich zwei befrackte Kellner tauchten auf.
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