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Tohuwabohu

Tohuwabohu

Titel: Tohuwabohu
Autoren: Tom Sharpe
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handelten unter enormem Druck und, gottlob, absoluter Geheimhaltung. Und nun sind wir aufgrund der Verspätung, mit der uns die Gefängnisleitung den Spender zukommen läßt – und wenn ich mir die Verletzungen der Frau hier ansehe, verstehe ich auch, warum es zu dieser Verspätung kommt –, völlig außerstande, mit der Operation fortzufahren. Ich schlage vor, ich nähe dem Patienten die Brust wieder zu und lasse sein Herz vollkommen gesund an seiner angestammten Stelle schlagen.«
    Protestgemurmel von den anderen Mitgliedern des Transplantationsteams wurde laut.
    »Ja, ich weiß, was Sie empfinden, und sollte es zu weiteren Provokationen kommen, dann gäbe ich meine Zustimmung, dem Mistkerl hier das Herz zu entfernen und ihn einfach verfaulen zu lassen. Aber ich habe mich anders entschlossen. Dank der Geheimhaltung, die diese ganze so unkoschere Angelegenheit umgibt, habe ich einen besseren Vorschlag. Ich glaube, es wird besser sein, dem Kommandanten zu gestatten, in absoluter Unkenntnis von seinem großen Glück zu bleiben, das ihn davor bewahrte, das hier zu erhalten«, und Dr. Erasmus gab dem Herzen der alten Frau wieder einen Klaps. »Wir erhalten einfach den Anschein aufrecht, daß die Verpflanzung erfolgreich durchgeführt wurde, und ich habe die allergrößte Zuversicht, daß seine Dummheit so kolossal ist, daß es ihm niemals in den Sinn kommen wird, unsere Behauptung, er habe ein neues Herz erhalten, in Frage zu stellen.«
    Unter allgemeinen Hochs und Bravos drehte sich der illustre Chirurg zu Kommandant van Heerden um und nähte ihn zu. Eine Stunde später erwachte der Kommandant in seinem Zimmer. Er fühlte sich recht elend, und die Wunde auf seiner Brust tat weh, wenn er sich bewegte, aber sonst meinte er keine unangenehmen Nebenwirkungen der Operation zu verspüren. Vorsichtig nahm er einen tiefen Atemzug und lauschte seinem neuen Herzen. Es hörte sich vortrefflich an.

Kapitel 20
    Als die schwarze Staubwolke mitten auf dem Gefängnishof in die Höhe stieg und das letzte Stück des verrotteten Mauerwerks mit einem letzten Dröhnen umgefallen war, senkte sich eine ehrfurchtsvolle Stille über die schwarzen Gefangenen, die in ihren Zellen hockten. Wachtmeister Els kraxelte mühsam auf den Gipfel des Schuttbergs, wobei er dem Mann, der ihm seine Karriere als Henker vermasselt hatte, Direktor Schnapps, als letztem Liebesdienst auf dem Skrotum rumtrampelte. Von dort oben spähte er in den Dunst. Das war natürlich nicht wie ein Berggipfel in Darien, und die Aussicht konnte auch kaum pazifischfriedlich genannt werden, aber auf seine Weise war der Ex-Henker Els stolz. Genau im Mittelpunkt eines sich langsam ausbreitenden Knäuels aus schwarzem Staub wußte Wachtmeister Els, daß er wieder einmal seine großen Vernichtungsgaben nutzbringend angewandt hatte. Unter ihm lagen die Leichen von Direktor Schnapps, dem Kaplan und, so hoffte er im stillen, auch des Mannes, den er zu hängen versucht hatte. Er, Scharfrichter Els, hatte sie alle übertroffen, und niemand würde je wieder den Tag vergessen, an dem Els im Piemburger Gefängnis einen Mann gehängt hatte. Er hatte sich mehr als einen Ruf erworben, er hatte sich einen Namen gemacht, einen großen Namen. Und als Els von dem Schuttberg herunterkletterte und wie betäubt aus der schwarzen Wolke auftauchte, fühlte er keine Reue.
    Nackt, zerstoßen und schwarz wie ein Pikas trat Els heraus, um es der Welt zu beweisen. Langsam und schwankend ging er den großen Gefängnishof hinunter, und als er so ging, begannen Menschen aus ihren Gefängniszellen zu strömen, wo sie in stiller Angst gewartet hatten, während die erste Hinrichtung stattfand, die das Piemburger Gefängnis seit zwanzig Jahren erlebte. Aus jeder Tür, die auf den Hof führte, quollen die Gefangenen, um einen Blick auf die Schreckensszene zu werfen.
    Zuerst standen sie nur da und starrten in stiller Verwunderung, aber dann erhob sich ein gewaltiger Schrei, gefolgt von Freuderufen, und dann fing ein Mann zu singen an, und einen Augenblick später war der große Gefängnishof eine einzige herumhüpfende und singende Menschenmasse, die in einem ekstatischen, triumphierenden Tanz mit den Füßen stampfte und in die Hände klatschte. Tausend schwarze Gefangene, ohne Ausnahme Zulus, tanzten, wie sie noch nie getanzt hatten, um den Schuttberg herum, der einmal das gefürchtete Haus des Todes gewesen war. Reihe um Reihe stampften sie und wiegten sich in den Hüften, und als Himmel und Erde von ihrem Tanz
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