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Tohuwabohu

Tohuwabohu

Titel: Tohuwabohu
Autoren: Tom Sharpe
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darüber, wer die Schlacht von Isandhlwana gewonnen hatte.
    »Mein Großvater war dabei«, sagte Miss Hazelstone. »Meiner auch«, sagte der Zulu.
    »Meiner nicht«, sagte der Kommandant, »und es interessiert mich sowieso einen Dreck, wer die Schlacht gewonnen hat. Hier wird sie jedenfalls niemand gewinnen. Ich verlange, daß Sie Ihre Streitkräfte zurückziehen.«
    »Wir werden gewinnen«, sagte der Zulu. »Den ganzen Nachmittag haben wir verloren, und jetzt haben wir ein Recht zu gewinnen.«
    »Quatsch«, sagte Miss Hazelstone. »Mein Großvater hat den Sieg errungen, und mehr gibt’s darüber nicht zu sagen.«
    »Mein Großvater hat’s meinem Vater erzählt, und mein Vater hat’s mir erzählt, daß Ihr Großvater weggelaufen ist«, sagte der Zulu.
    »Wie können Sie es wagen«, kreischte Miss Hazelstone, »wie können Sie es wagen, einen Hazelstone zu beleidigen?« Auch Kommandant van Heerden war entsetzt. Er wußte aus Erfahrung, was aller Voraussicht nach das Resultat eines Streits zwischen Miss Hazelstone und einem Zulu sein werde. Als die alte Dame sich mit dem Säbel abmühte, der an ihrem Gürtel hing, und der Zulu hinter seinem kolossalen Schild in Deckung ging, unternahm Kommandant van Heerden seinen letzten Versuch, den Frieden wiederherzustellen. »Ich befehle Ihnen, den Exerzierplatz zu verlassen«, brüllte er und zog seinen Revolver aus dem Pistolenhalfter, aber es war schon zu spät. Mit einem Aufwärtsstreich ihres Säbels schlug Miss Hazelstone dem Kommandanten den Arm nach oben. Der Revolver gab einen harmlosen Schuß in den Himmel ab, dann wogten die beiden Irrenheere mit lautem Getöse aufeinander los. Als ein Säbelhieb Miss Hazelstones durch die Luft pfiff und der Zulu den Schlag mit seinem Schild parierte, ergriff Kommandant van Heerden die Flucht. Ein Blick auf die schizophrenen Zulus überzeugte ihn, daß das Heil, wenn überhaupt irgendwo, dann bei der Armee der Briten lag, und er sauste auf die vorrückenden Linien der Rotröcke zu. Einen Augenblick später bereute er seine Entscheidung. Ein Regiment paranoider Frauen in Kilts, immer noch von der depressiven Dudelsackspielerin angeführt, die jetzt »The Road to the Isles« intonierte, fegte im Dauerlauf über den Kommandanten weg, der gerade noch Zeit hatte, kehrtzumachen und mit ihnen mitzurennen, ehe er über den Haufen geworfen und zu Boden gerissen wurde. Er lag still da und mußte sich mehrere Male treten lassen, ehe das Regiment durch war. Dann hob er den Kopf und betrachtete die Szene um sich her. Es war sofort zu sehen, daß die Zulus nicht die Absicht hatten, auf ihren Sieg zu verzichten. Einen Moment lang durch den Ansturm der Frauen in die Enge getrieben, hatten sie ihren Mut wiedergewonnen und mit Erfolg einen Gegenangriff gestartet. Mit Hilfe ihrer kurzen Gummispeere, an deren Spitze jetzt Stricknadeln steckten, stachen sie sich recht erfolgreich ihren Vormarsch frei. Auf der linken Flanke verteidigten sich die Welsh Guards verzweifelt, aber ihre Holzgewehre waren den Wurfspießen nicht gewachsen. Als das Schottische Korps ins Wanken geriet und sich zurückzuziehen begann, rappelte sich Kommandant van Heerden hoch und rannte vor dem Korps her.
    Der Exerzierplatz um ihn her hallte vom Schlachtruf der Zuluhorden, von den Schreien der verwundeten Frauen und den geisterhaften Tönen des Dudelsacks wider. Um den Lärm noch zu erhöhen, ließ ein Tonbandgerät die Ouvertüre 1812 durch Lautsprecher ertönen. Im Zentrum des Schlachtgewühls konnte man Miss Hazelstones Tropenhelm herumhüpfen sehen. Kommandant van Heerden rannte zum Lager der Briten und brach in einem der Zelte zusammen.
    Den Zuschauern auf der Tribüne erschien die Wiedererweckung der südafrikanischen Geschichte zunächst durch und durch überzeugend. Der kühne Sturm auf die Briten und ihr nachfolgender Rückzug hatten etwas Authentisches an sich, was den vorangegangenen Darstellungen gefehlt hatte. »Ein erstaunlicher Realismus«, sagte der Bürgermeister, der eben einen von einem Speer durchbohrten Waliser gesehen hatte.
    »Ich glaube, das macht auch die Musik«, sagte der Anstaltsleiter.
    Dem mußte der Bürgermeister zustimmen. »Die Leute scheinen aber auch ziemlich viel zu schreien«, sagte er. »Ich bin sicher, so was hilft den Patienten«, fuhr Dr. Herzog fort. »Nimmt ihnen einen Teil ihrer Probleme.«
    »Das wird es wohl«, sagte der Bürgermeister. »Zweifellos nimmt es ihnen auch anderes. Da drüben liegt einer, der offenbar ein Bein verloren
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