Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tohuwabohu

Tohuwabohu

Titel: Tohuwabohu
Autoren: Tom Sharpe
Vom Netzwerk:
sich und sah sich verzweifelt nach irgendeiner Fluchtmöglichkeit um, aber die Menge um das Podium stand zu dicht gedrängt, als daß man hätte durchkommen können, und davor hatte der Aufmarsch schon begonnen. Verzweifelt sank er auf seinen Stuhl zurück.
    Die Kapelle spielte, und die Regimenter formierten sich und marschierten auf die Tribüne zu. Rotbejackt und erstaunlich gut gedrillt, gemessen an ihrem Geisteszustand, paradierten sie an dem Anstaltsleiter vorbei, und an ihrer Spitze marschierte die dem Kommandanten wohlvertraute Gestalt Miss Hazelstones. Einen Augenblick dachte er, er säße wieder in der Halle von Jacaranda House und betrachte das Porträt von Sir Theophilus. Miss Hazelstones Uniform war eine Kopie derjenigen, die der Vizekönig auf dem Gemälde trug. Ihr Gesicht war zum Teil von einem mit Federn dekorierten Tropenhelm verdeckt, aber auf ihrer Brust prangten die Sterne und Orden der unseligen Feldzüge ihres Großvaters. Hinter dem ersten Regiment, den Welsh Guards, kamen die anderen, die Regimenter der Grafschaften Englands, entsprechend weniger im gleichen Schritt und Tritt (es war schwierig gewesen, genügend viele Zwangsneurotiker aufzutreiben, die es richtig schneidig hätten machen können), aber sie kamen trotzdem recht entschlossen dahergeschlurft. Hinter ihnen folgten die schottischen Regimenter, die man bei den weiblichen Patienten rekrutiert und in Kilts gesteckt hatte, angeführt von einer Dudelsack spielenden chronisch Depressiven. Den Schluß bildete eine kleine Abteilung Froschmänner, in Gummianzügen mit Flossen, die Schwierigkeit hatten, im Tritt zu bleiben. »Hat was angenehm Zeitnahes, finden Sie nicht auch?« murmelte Dr. Herzog neben dem Bürgermeister, als zwanzig vom Wahnsinn gezeichnete Gesichter ihre Masken dem Podium zuwandten.
    »Ich hoffe, die Kaffern da drüben kommen uns nicht zu nahe«, sagte der Bürgermeister ängstlich. Aber es bestand kein Grund zur Sorge. Den schwarzen Irren hatte man nicht das Recht eingeräumt, an der Tribüne vorbeizumarschieren. Miss Hazelstone baute sie für das erste Tableau auf. In der Pause stand Kommandant van Heerden von seinem Stuhl auf und sprach mit dem Anstaltsleiter. »Ich dachte, ich hätte Ihnen schon gesagt, daß Sie Miss Hazelstone unter scharfer Bewachung halten sollten«, sagte er verärgert.
    »Sie hat bemerkenswerte Fortschritte gemacht, seit sie hier ist«, antwortete Dr. Herzog. »Wir sehen es gern, wenn unsere Patienten sich für ihre Hobbys interessieren.«
    »Sie vielleicht«, sagte der Kornmandant, »aber ich nicht. Zu Miss Hazelstones Hobbys gehört zufällig auch das Morden, und Sie lassen sie hier eine Militärparade abhalten. Sie müssen nicht ganz bei Tröste sein.«
    »Es gibt nichts Besseres, als den Patienten zu gestatten, ihre aggressiven Neigungen auszuagieren«, sagte der Anstaltsleiter. »Sie hat das bereits zur Genüge getan«, sagte der Kommandant. »Mein Rat ist, das Ganze zu stoppen, bevor es zu spät ist.«
    Aber schon hatte das erste Tableau begonnen. In der Mitte des Exerzierplatzes stand ein Ochsenwagengeviert aus Pappe, und um es herum versammelten sich die schizophrenen Zulus und schwenkten ihre Speere. Nach ein paar Minuten ließen sie sich in Haltungen auf dem Asphalt nieder, die qualvolles Sterben bedeuten sollten.
    »Blood River«, sagte der Anstaltsleiter. »Sehr realistisch«, sagte der Bürgermeister. »Total meschugge«, sagte der Kommandant. Höflicher Beifall quittierte das Ende der Schlacht. Und in der nächsten Stunde entfaltete sich vor den Zuschauern die Geschichte Südafrikas in einer Reihe blutig erstarrter Schlachten, in denen stets die Schwarzen von den Weißen massakriert wurden.
    »Man sollte doch meinen, es würde sie allmählich langweilen, sich hinzulegen und wieder aufzustehen und sich wieder hinzulegen«, sagte der Bürgermeister, als die Zulus zum zigsten Mal ihre Todesqualen durchgemacht hatten. »Aber es hält sie wahrscheinlich körperlich fit.«
    »Solange die Scheißkerle nicht gewinnen, hab ich nichts dagegen«, sagte der Kommandant.
    »Ich glaube, im Finale bekommen sie einen kleinen Triumph zugestanden«, sagte Dr. Herzog. »Das ist die Schlacht von Isandhlwana. Die Briten hatten keine Munition mehr und wurden getötet.«
    »Wollen Sie damit etwa andeuten«, sagte der Kommandant, »Sie hätten zugelassen, daß Weiße von Schwarzen besiegt werden? Das ist ja irre. Was sage ich, das ist ungesetzlich. Sie ermuntern zum Rassenhaß.«
    Dr. Herzog wurde verlegen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher