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Curia

Curia

Titel: Curia
Autoren: Oscar Caplan
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    1    Es war Anfang August.
    Vom höchsten Punkt des Himmels brannte die Sonne auf den Steinboden des Cortile del Belvedere und die neoklassischen Fassaden des Vatikanischen Geheimarchivs herab. Die verriegelten, durch dicke Eisengitter geschützten Fenster machten die Schwüle noch erstickender. Über dem Brunnen kreiste ein Rabe, sein Krächzen erfüllte den verlassenen Hof.
    Vor dem Bronzetor des Archivs parkte ein dunkelblauer Lancia Flaminia, das Banner mit dem Vatikanwappen auf einem Kotflügel. Ein Priester mit den weichen Zügen eines Seminaristen lehnte an der Wagentür, nahm seinen Hut ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    Kardinal Vanko St. Pierre, ein schlanker Mann mit ernster Miene hinter einer Goldrandbrille, kam raschen Schrittes aus dem Tor, in der Hand eine Aktentasche aus schwarzem Leder. Eilig öffnete der Priester die hintere Wagentür, schloss sie wieder und setzte sich ans Steuer. Während er den Motor anließ, spähte er in den Rückspiegel. Der Kardinal zog einen tabakbraunen Umschlag aus der Aktentasche.
    »Pater, ich muss Sie um einen Gefallen bitten.«
    »Ich stehe zu Ihrer Verfügung, Eminenz.«
    »Kann ich mich auf Ihre Diskretion verlassen?«
    »Eminenz, ich bin seit vielen Jahren in Ihren Diensten.«
    »Ich vertraue Ihnen diese Papiere an.« Der Kardinal beugte sich vor und reichte dem Geistlichen den Umschlag, auf dem eine von Hand geschriebene Adresse stand. »Wie Sie sehen, ist der Adressat ein Notar in der Via Barberini.«
    »Was soll ich …«
    »Hören Sie mir gut zu. Wenn ich aus irgendeinem Grund morgen nicht in diesem Auto auf der Rückfahrt nach Rom sein werde, gehen Sie unverzüglich in die Via Barberini und händigen diesen Umschlag dem Notar persönlich aus. Haben Sie verstanden?«
    »Ja … Wenn wir aber nun gemeinsam zurückfahren?«
    »Dann geben Sie ihn mir zurück, und die Sache hat sich erledigt.« Der Kardinal legte dem Priester eine Hand auf die Schulter. »Habe ich Ihr Wort, dass Sie mit niemandem darüber reden, ich wiederhole, mit niemandem ?«
    Der Priester blickte in den Rückspiegel. »Ich verspreche es Ihnen, Eminenz. Sie können sich auf mich verlassen.«
    Der Kardinal klopfte ihm zweimal leicht auf die Schulter.
    Das Auto bog in die Via del Belvedere ein und fuhr wenige Minuten später durch die Porta Sant’Anna aus der Vatikanstadt heraus. Nachdem der Lancia einige Kilometer durch das fast menschenleere Rom gefahren war, fädelte er sich in südlicher Richtung in den Verkehr auf der Via Appia ein und folgte den Hinweisschildern nach Castel Gandolfo, der Sommerresidenz des Papstes.

    Vor dem Hintergrund des Albaner Sees mit seinem tiefblauen Rund tauchte am oberen Ende des Hügels die Renaissancefassade des Päpstlichen Palastes von Castel Gandolfo auf.
    Das Auto fuhr am Bernini-Brunnen vorbei und hielt vor dem Eingang des Palazzo. Die beiden Schweizergardisten in ihrer Galauniform mit orangefarbenen, blauen und roten Streifen standen augenblicklich stramm und richteten die Hellebarden auf. Zweimal ertönte die Hupe, kurz darauf öffnete sich das Eingangstor.
    Der Kardinal stieg aus dem Wagen und blickte zur Loggia über dem Innenhof. Mit hüpfendem Doppelkinn, den Bauch von den Knöpfen der Soutane mit knapper Not gebändigt, trippelte der Sekretär des Papstes die Treppe herunter und kam mit einem beflissenen Lächeln auf ihn zu.
    »Eminenz, Kardinal Ottolenghi erwartet Sie oben in meinem Arbeitszimmer. Gehen wir hinauf?«
    »Warum diese Programmänderung, Monsignore?«, fragte der Kardinal, während sie zur Loggia hinaufstiegen. »Es war abgemacht, dass ich heute mit dem Heiligen Vater zusammenkomme, und zwar allein.«
    »Ganz richtig, und ich verstehe Ihre Enttäuschung. Aber glauben Sie mir, der Heilige Vater selbst hat im letzten Moment beschlossen, die Begegnung auf morgen Vormittag zu verschieben.«
    »Wozu dieses Treffen mit Kardinal Ottolenghi?«
    Der Sekretär des Papstes zuckte mit den Schultern. »Der Heilige Vater macht bekanntlich nicht viele Worte.«
    »So wie Sie bekanntlich ein Mann von außergewöhnlich scharfem Verstand sind.«
    Seufzend warf der Sekretär einen vielsagenden Blick auf die Aktentasche des Kardinals. »In Anbetracht der Dinge, die Sie mir am Telefon angedeutet haben, kann ich mir allerdings vorstellen, dass der Heilige Vater ein vorbereitendes Treffen mit dem Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre für, wie soll ich sagen, ratsam hielt.«
    Der Kardinal schwieg.

    Als der päpstliche
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