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Tohuwabohu

Tohuwabohu

Titel: Tohuwabohu
Autoren: Tom Sharpe
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gerollt. Während die Chirurgen sich für die Verpflanzung bereitmachten, rasten die Krankenwagenfahrer zu ihren Fahrzeugen, und es wurden alle Anstalten getroffen, den erwarteten Strom der Opfer aus dem Gefängnis aufzunehmen. Krankenschwestern, die schon nicht mehr wußten, wo ihnen der Kopf stand, weil sie sich mit Massen verletzter Irrer aus dem Massaker in Fort Rapier rumschlagen mußten, versuchten, sich auf diese neue Katastrophe einzustellen. Als der Krankenwagen mit Jonathan Hazelstone vor der Leichenhalle eintraf, schlug die allgemeine Verwirrung über ihm zusammen. »Fahren Sie zum Gefängnis zurück«, schrie ein Krankenwärter aus einem Fenster, als die beiden Sanitäter den Spender in die Leichenhalle trugen und auf einem Rolltisch absetzten. »Da oben hat’s ’ne größere Katastrophe gegeben.« Die beiden Männer hetzten zu ihrem Krankenwagen zurück und fuhren los. Der Bischof, einen Augenblick allein in der Leichenhalle, sprang von dem Tisch, riß sich den Sack vom Kopf und blickte sich um. Unter den Laken, die auf Steinplatten liegende stille Gebilde verhüllten, fand er, was er suchte, und als schließlich zwei Krankenwärter kamen, um den Spender zur Transplantation abzuholen, enthielt der Körper, der gemütlich unter seinem weißen Laken lag und einen grauen Leinensack über den Kopf gestülpt trug, ein Herz, das viel zu kalt war, als daß es Kommandant van Heerden noch groß von Nutzen sein konnte.
    Während die Operation langsam in Gang kam, wanderten die sterblichen Überreste des ehemaligen Bischofs von Barotseland leicht hinkend den Hügel in Richtung Jacaranda House hinauf. Und wie sie so wanderten, sangen sie:
    »Wenn ihr auch geht, ich weiche nicht; flieht nur von hier: Denn Du bist noch mein Gott, ist alles, was ihr mir Vielleicht mit mehr Verzierungen könnt sagen.
    Fliegt, Frühlingsvögel fort: den Winter laßt nur jagen; Laßt öde Blässe bleichen mir das Tor, Doch alles drin ist muntrer als zuvor.«
    Jonathan Hazelstone hatte sich gerade überlegt, daß es schließlich dennoch Gründe geben könnte, den Glauben wiederzufinden.
    Die Panik, die im Piemburger Krankenhaus herrschte, als der Krankenwagen mit dem Bischof eintraf, war rein gar nichts, verglichen mit dem Chaos und der Hysterie, die im Operationssaal entstanden, als der Leichnam des Spenders auf dem Rolltisch hereingefahren wurde. In Kommandant van Heerdens Brust war schon ein Schnitt gemacht worden, als man entdeckte, daß, wer immer auch für die Hinrichtung verantwortlich gewesen war, seinen Job allzu gründlich erledigt hatte. Die Leiche auf dem Tisch trug viele Wunden der allerschrecklichsten Art. Das einzige, was sie sich nicht gebrochen zu haben schien, war das Genick. Sie war nicht nur an vielen Stellen völlig zersplittert, sie war auch schon mindestens 48 Stunden tot. Und als man des weiteren entdeckte, daß es sich um die Leiche einer neunundachtzigjährigen Frau handelte, da wußten die Chirurgen, daß, was sie zunächst für dumm, um nicht zu sagen für kriminell gehalten hatten, nun zu reinem Irrsinn ausartete.
    Dr. Erasmus war völlig außer sich. »Wer hat gesagt, das Ding hier schlüge noch?« schrie er und schlug auf das welke Ding, das der alten Frau aus der Brust hing. (Sie war in Wirklichkeit von einem Fünfundzwanzig-Tonner überfahren worden, als sie über die Straße ging.) »Das hier hat schon tagelang nicht mehr geschlagen, und als es noch arbeitete, hat es verflucht noch mal auch nicht geschlagen. Es hat bloß hin und wieder mal gezuckt. Das Herz würde ich einem verhungerten Hund nicht zu fressen geben und schon gar nicht dem Verrückten hier in seinen Körper einbauen.« Er setzte sich hin und flennte. Nach einer halben Stunde, in der die Leichenhalle immer wieder durchsucht und der Tod verschiedener möglicher Spender in den Krankenhausabteilungen von einem verzweifelten Chirurgenteam beschleunigt wurde, das maskiert hereingestürmt kam, sie beutegierig anstarrte und ihnen hoffnungsvoll den Puls fühlte, riß sich Dr. Erasmus zusammen, nahm rasch eine kleine Prise Äther und wandte sich an das Herzteam.
    »Meine Damen und Herren«, sagte er, »wovon wir alle heute nachmittag Zeuge geworden sind, das ist so bedauerlich und schrecklich, daß es desto besser ist, je eher wir es vergessen. Wie Sie wissen, wollte ich diese Verpflanzung von Anfang an nicht durchführen. Wir wurden von diesem verdammten Irren dazu gezwungen.« Er zeigte auf Kommandant van Heerdens bewußtlosen Körper. »Wir
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