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Titel: Toggle
Autoren: Florian Felix Weyh
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erzeugen wir maschinell.«
    »Lieber noch mal aufs Klo?«, fragte ihn Melissa, als sie entlang blauer und roter Wände in Richtung Große Freiheit schritten. Die Konferenzräume hießen alle nach Straßen im Rotlichtbezirk der Stadt.
    »Ich denke mal, ein CEO hat gelernt, sich kurz zu fassen. Wenn er überhaupt was gelernt hat.«
    »Na, du greifst nach den Sternen! Es ist nicht der CEO , sondern Weinberger vom Strategieboard.«
    »Oh!« Holzwanger schien enttäuscht. »Den kenn ich sogar. Vom Annual Meeting in London, letztes Jahr. Ein ungehobelter amerikanischer Superpatriot, der ständig ein mission – Statement auf den Lippen hatte. Ich wusste nie, ob er gerade über Toggle oder die US – Außenpolitik spricht.«
    »Er war bei der Air Force«, sagte Melissa knapp. »Fliegt noch heute seinen eigenen Jet.«
    »Deswegen! Fragt sich nur, wie der zu unserem undisziplinierten Haufen stieß.«
    »Kannst du dir vorstellen«, entgegnete Melissa spitz, »dass es Menschen geben muss, deren einzige Aufgabe darin besteht, Strukturen ins Chaos einzuziehen?«
    »Schwer. Nennt man die Kindergärtner?«
    Ihre Augen blitzten wütend auf: »Er ist ein Freund meines Vaters und so oft dekoriert worden, dass seine Uniform irgendwann mal in die Altmetallsammlung statt in den Altkleidercontainer wandern wird.«
    Holzwanger schwieg. Soldatenkinder waren unzugänglich für den leisesten Zweifel am Nutzen militärischer Kompetenzen.
    Die beiden betraten das Videokonferenzzimmer und sahen Walter Weinberger schon sitzen. Respektive hängen, denn der Bildschirm war an der Decke angeschraubt.
    »Hi, Mel!«, erklang eine dröhnende Stimme.
    Offensichtlich erfasste die Kamera bereits den Türbereich.
    »Sollen wir nicht besser hier stehen bleiben?«, raunte Holzwanger seiner Vorgesetzten ins Ohr. »Dann können wir uns aus dem Staub machen, falls er bissig wird.«
    Weinberger war trotz seines Pilotenscheins ein massiger Mann mit dem Schädel eines afrikanischen Kaffernbüffels. Man konnte sich kaum vorstellen, dass sich über ihm eine Cockpithaube schließen ließ. Holzwanger erinnerte sich daran, dass er sich in London gefragt hatte, wie viele Frauen unter diesem schweren Körper schon Atemnot erlitten haben mussten.
    Melissa Stockdale stieß ihn unwirsch in die Seite.
    »Ich sehe nur eine Hand!«, erklang es aus dem Monitor. »Würdet ihr euch bitte vor die Kamera setzen, Mel! Ist der Doc dabei?«
    »Selbstverständlich, Sir. «
    Weinberger grinste.
    »Das nenn ich europäische Umgangsformen!«
    Erst jetzt fiel Holzwanger auf, dass Weinberger deutsch konnte. So etwas gab es unter Amerikanern selten.
    »Doc, in Ihren Unterlagen steht, dass Sie Englisch sprechen wie ein Litauer Russisch«, dröhnte Weinberger. »Nämlich perfekt, doch mit äußerstem Widerwillen. Keine Ahnung, warum. Aber weil ich Ihren vollen Einsatz brauche, mache ich eine Ausnahme und rede in der Sprache meines Geburtslandes.« Er hielt kurz inne. »Ich sehe immer noch bloß eine Hand!«
    Die beiden Deutschen setzten sich am Konferenztisch der fest installierten Webcam gegenüber.
    »So ist’s prima! Ah, seit unserer Londoner Begegnung haben Sie abgenommen, Doc! Sehen aus wie ein Strich in der Landschaft.«
    »Das macht die Datenkompression«, entgegnete Holzwanger knapp.
    »Er hat vier Kinder«, warf Melissa ein.
    »Ach du Scheiße! So jemanden stellen wir ein?«
    »Walter!«, entfuhr es der Deutschlandchefin. »Du hast selber fünf! Mit drei Frauen!«
    Der Amerikaner grinste fröhlich, und für einen Moment wurde er Holzwanger fast sympathisch.
    »Darum weiß ich, wovon ich rede! ›Wer Weib und Kind hat, gibt dem Schicksal Geiseln in die Hand.‹ Kennen Sie den Satz, Doc? Stammt von irgendeinem blöden Philosophen. Toggeln Sie das mal! Hatte unser Fliegerarzt ständig auf den Lippen, um uns den Gebrauch von Kondomen schmackhaft zu machen. Tripper ist ja keine wirkungsvolle Abschreckung.«
    Für einen Moment brach der Ton ab, und das Bild fror in einer unvorteilhaften Mundstellung Weinbergers ein.
    »Ich kenne ihn schon sehr lange«, flüsterte Melissa Stockdale. »Er ist mein Patenonkel. Darum fällt es mir schwer, immer die Form zu wahren.«
    »Ihm auch.«
    Da löste sich Weinberger wieder aus der Erstarrung. »Scheißtechnik!«, fluchte er. »Alles, was man nicht im eigenen Haus entwickelt, funktioniert nicht.«
    »Walt, das ist unser Programm!«, sagte Melissa.
    »Sind eben sehr viele Daten zu übertragen, bei so einer Statur«, murmelte Holzwanger.
    Weinberger ging
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