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Titel: Toggle
Autoren: Florian Felix Weyh
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Prolog
Das Ziel
    Die Bold Lane in West-Lancashire, zwanzig Meilen nördlich von Liverpool, war entgegen ihrem Namen schmal und von dichtem Buschwerk gesäumt. Wer zwischen Ormskirk und Aughton seinen Wagen abstellen wollte, musste bis Aughton weiterfahren oder bei Allister McCrew den Torweg blockieren. Eingerahmt von mannshohen Hecken bot die Auffahrt zur Hausnummer 56 die einzige Parknische weit und breit. Man konnte natürlich auch klingeln und anfragen, ob man den akkurat geharkten Kiesplatz hinter dem schmiedeeisernen Tor benutzen dürfe.
    »Wäre es möglich, unseren Silver Seraph für wenige Minuten auf Ihrem wunderbaren Anwesen abzustellen?«
    »Bitte was?«, erklang es aus der Sprechanlage.
    »Unseren Silver Seraph. Wir sind zwei Amerikaner auf Reisen und müssen für einen Moment austreten.«
    Allister McCrew war perplex. Weniger, weil jemand mit einem Rolls Royce bei ihm klingelte und Parkplatzprobleme reklamierte – die Bold Lane war wirklich nicht sehr breit und das seitliche Buschwerk unüberwindbar –, als darüber, dass dieser Jemand das McCrew’sche Anwesen ›wunderbar‹ genannt hatte. Der Futtermittelhändler erlebte sonst andere Reaktionen. Als ›Baumarkt-Tudor‹ verspotteten die Einwohner von Aughton seine freistehende Villa. Dabei verband diese doch nur die praktischen Vorzüge der Fertigbetonbauweise mit der Schönheit klassischer Landhausästhetik. Das war nicht jedermanns Geschmack und erhielte wohl kaum eine Prince-Charles-Medaille für vorbildliche Traditionspflege. Aber das Foto eines Silver Seraph vor seinem Haus würde sich bei einem späteren Immobilienverkauf gut machen.
    Der Futtermittelhändler drückte auf den Toröffner.
    Die beiden Männer im Auto waren leger gekleidet, doch höflich, und sie parkten folgsam ihre Limousine quer auf dem Hof. Während McCrew noch Aufnahmepositionen durchprobierte, erkundigten sich die Besucher nach einer Öffnung in der dichten Buchsbaumhecke. Der Hausherr deutete auf ein lange nicht mehr benutztes, grün überwuchertes Gartentor. Das Nachbargrundstück lag seit Jahren brach, durfte aber wie die restlichen Äcker ringsum nicht bebaut werden. Es gehörte irgendeiner ausländischen Firma. Vielleicht Sanmonto, dem Agrarkonzern.
    »Sie können eines meiner Badezimmer benutzen«, sagte McCrew zuvorkommend.
    Freundlich lehnten die Besucher das Angebot ab. Mit einiger Kraftanstrengung stemmten sie das überwucherte Gartentor einen Spalt weit auf und marschierten dann entlang eines verwilderten Ackers nach Norden. Wenige Meter vor dem oberen Feldrand hielten sie an. Einer der beiden zauberte einen Klappspaten hervor, der andere zog eine hühnereigroße, matt glänzende Metallkapsel aus der Tasche seines Blousons. Beide traten fünf Schritte aufs Feld hinaus, wobei der Größere sorgfältig die geografischen Koordinaten auf einem hochauflösenden GPS – Empfänger überprüfte. Dann nickte er, und der Kleinere begann ein Loch zu graben. Zehn Minuten später war die silberne Kapsel tief im Erdboden verschwunden. Die Männer machten sich auf den Rückweg. Sie bedankten sich bei Allister McCrew, schlugen mit dem Verweis auf ihren engen Terminplan eine Einladung zum Tee aus und fuhren über Aughton hinaus in Richtung Süden zum John Lennon Airport Liverpool.
    Als neunzig Minuten später eine Boeing 767 erstaunlich tief über 56 Bold Lane hinwegzog und Allister McCrew die Faust gen Himmel reckte, konnte er nicht ahnen, dass seine freundlichen Besucher vom Nachmittag auf ihn herabsahen. Hätten sie es zustande bringen können, wäre ein Golden Eagle als Trinkgeld auf den erneut perfekt geharkten Kiesparkplatz gefallen. Aber nicht einmal die Toggle One besaß eine derartige Abwurfeinrichtung. Stattdessen stießen die beiden Passagiere mit ihrer letzten Flasche 1928er Krug Collection an.
    Sie befanden sich auf dem Gipfelpunkt ihres Erfolgs.

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Erster Teil
Die Niederlassung

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    1
   Prützke (Brandenburg)
Mittwoch, 7.   Juli, 15   :   00
    Das Mädchen sah zur Lagerhalle hinüber und spürte ein Kribbeln im Bauch.
    Endlich mussten sie vor der Hitze kapitulieren!
    Seit Wochen wartete das Dorf auf Regen. Überall hatte sich die Erde pulverisiert, selbst Fahrradfahrer zogen auf den Feldwegen meterlange Staubfahnen hinter sich her. Manchmal konnten die Dorfbewohner Windhosen beobachten, die sich über den verkrüppelten Halmen der Roggen- und Gerstenfelder erhoben und in der Luft tanzten, bevor sie nach ein paar Minuten wieder
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