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Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Johanna Geiges
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PROLOG
    E s war kurz vor Ostern im Jahre des Herrn 1242.
Nach einem langen und strengen Winter, der einfach nicht weichen wollte, brach zum ersten Mal seit Monaten die Sonne durch die dicke, bleierne Wolkendecke über dem Rhein. Die ungeheuren Wassermassen des mächtigen Stroms, befreit von den Ausläufern der Eifel, wälzten sich in die weite Ebene der Kölner Bucht nach Norden weiter, bis Himmel und Erde am Horizont eins wurden.
    Gleich einem gleißenden Fingerzeig Gottes fiel der Strahl der Morgensonne auf den Petersberg, einen Gipfel des Siebengebirges, wo zwei Reisende die Schöpfung des Herrn bestaunten, die sich wie ein gewaltiges, vor Nässe dampfendes Panorama vor ihnen ausbreitete. Der ausgezehrte, sehnige Mann mit den grauen Haaren hatte gewiss schon mehr als vierzig Winter hinter sich. Er trug eine grobe Tunika aus Zwillich und darüber einen wollenen Umhang, dazu warme Beinkleider und schwere, selbstgemachte Stiefel aus Schweinsleder. Die Frau neben ihm war in seinem Alter, zierlich, mit verhärmten Zügen, auch sie hatte sich in einen wollenen Umhang gewickelt, und eine dicke Haube bedeckte ihre weißen Haare. Früher musste sie eine Schönheit gewesen sein. Der Mann legte einen Arm um ihre Schulter und zog sie zärtlich zu sich heran, während sie von ihrer hohen Warte aus auf das Tal hinunterblickten, das die Zisterziensermönche einst Tal des heiligen Petrus getauft hatten.
    Allmählich begann sich der Dunst aufzulösen und gab den Blick über eine weite, flache Senke frei, die umgeben war von Berghängen mit Buchenwäldern und Landwirtschaft. Dort unten lag das Kloster Maria im Peterstal in Heisterbach, kurz Kloster Heisterbach. Die Wolkendecke riss jetzt vollends auf und brachte die noch junge Klosteranlage in ihrer ganzen Pracht und Herrlichkeit zum Vorschein. Eine lange, schnurgerade Pappelallee führte direkt auf die Hauptpforte zu, auf deren Torbogen ein Vers aus dem Evangelium eingemeißelt war, Johannes 9, 25: »Eines weiß ich wohl: dass ich blind war und bin nun sehend.«
    Mauern umfriedeten das Kloster, das den einfachen Leuten aus den kleinen Dörfern in der Umgebung schon durch seine Ausdehnung vorkommen musste wie ein neues Weltwunder. Allein die domhafte Abteikirche aus grauem Trachyt-Stein im Zentrum der Anlage, mit ihrer gewaltigen Apsis gen Osten, den hochgezogenen, spitz zulaufenden Bogenfenstern und dem zierlichen Glockenturm, maß 280 Fuß in der Längsachse, dazu kam ein Querschiff von 140 Fuß. Im ganzen Heiligen Römischen Reich gab es weit und breit kein Gotteshaus, das sie an Größe überboten hätte. Zwei wuchtige, dreigeschossige Querhäuser schlossen rechtwinklig an das Querschiff und die Westfassade des Längsschiffs an. Das eine war für die Laienbrüder und Gäste, das andere für die Mönche. Das Geviert wurde ergänzt und abgeschlossen durch das Refektorium, den Wohnbereich des Abtes, das Badehaus, das Skriptorium und das Infirmarium . Kreuzgänge verbanden die Gebäude und umschlossen den Innenhof, den ein leise plätschernder Brunnen und niedrige, sorgfältig gestutzte Hecken zierten. Er diente allein der Kontemplation .
    Ein Stück weit nach Westen lagen die Obst- und Gemüsegärten, der Hortus botanicus des Infirmarius und die zahlreichen Wirtschaftsgebäude, die Scheunen, Ställe, Werkstätten, die Mühle, das Back- und das Brauhaus sowie die Kelterei, an die sich ein lichter Buchenwald anschloss. Dort, zwischen den Bäumen versteckt, von deren zartgrünen Blattknospen die letzten Wassertropfen der langen Regennacht rieselten, lugten einzelne Grabsteine hervor. Sie gehörten, nebst einer kleinen Kapelle, zum Friedhof der Mönche.
    Ein halbes Dutzend Fischteiche, ebenfalls jenseits der Klostermauern gelegen, funkelten wie Edelsteine im Sonnenlicht und trugen dazu bei, dass die gesamte Anlage jedem Besucher, der sie zum ersten Mal sah, wie eine Verheißung auf das himmlische Jerusalem erscheinen musste.
    Das Paar auf dem Petersberg, Caspar und Gret aus Ahrweiler, machte sich auf den langen und beschwerlichen Abstieg die Anhöhe hinunter zur Zufahrtsstraße des Klosters, die zu dieser frühen Zeit noch still und einsam im Sonnenlicht lag.
    Pater Urban, der Prior und Infirmarius von Heisterbach, zweiter Mann nach dem Abt, ein enger und vertrauter Freund, hatte ihnen durch einen Boten einen Brief in das kleine Dorf Ahrweiler geschickt, in dem geschrieben stand, dass sie kommen sollten. Caspar war des Lesens mächtig. Es sei dringend, es ginge um die Zukunft
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