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Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Johanna Geiges
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seufzte und bekreuzigte sich mit einem scheuen Blick auf das große Kruzifix, das hinter dem Schreibtisch an der Wand hing.
    »Aber unter diesen besonderen Umständen verzeiht der Herr auch einmal eine Notlüge.«
    Er wandte sich wieder an Anna.
    »Wir haben dich damals im Kloster aufgenommen, um dich zu schützen.«
    »Mich zu schützen? Aber wovor, Pater Urban?«
    Die Mutter beugte sich nach vorne. Es war das erste Mal, dass sie etwas sagte. Eindringlich flüsterte sie: »Anna, es ist besser, wenn du das nicht weißt. Glaub mir, für jeden von uns ist es besser.«
    Sie bekreuzigte sich hastig.
    Pater Urban legte beruhigend seine Hand auf die von Annas Mutter.
    »Eines Tages wird sie es erfahren müssen.«
    Wut brandete in Anna hoch. Eine der sieben Todsünden, das wusste sie. Pater Urban hatte alles getan, ihr das abzugewöhnen und sie jedes Mal dafür bestraft, wenn sie sich nicht beherrschen konnte. So hatte sie schmerzhaft gelernt, dass unbedingte Selbstbeherrschung eine notwendige Tugend war. Doch der Verlauf dieses Gesprächs ging sie schließlich etwas an. Sie war kein Kind mehr, und sie wollte sich auch nicht mehr wie eines behandeln lassen. Ihr Respekt vor der Autorität des Priors gebot ihr zu schweigen, aber sie konnte ihr aufbrausendes Temperament beim besten Willen nicht unterdrücken.
    »Was werde ich eines Tages erfahren müssen? Dass es keine Möglichkeit gab, mich als Mädchen zu unterrichten, das weiß ich. Und dafür bin ich Euch auch zutiefst dankbar. Aber bitte, warum sagt Ihr mir nicht die ganze Wahrheit?«
    Pater Urban tätschelte sie beruhigend.
    »Dazu ist später auch noch Gelegenheit, Anna. Wir müssen jetzt eine Entscheidung treffen, was mit dir zu geschehen hat. Deine Eltern und ich sind der Ansicht, es wäre das Beste, du gingest in das Nonnenkloster Mariental zu Frauenzimmern und wirst eine Braut Christi. Oder …«
    Er zögerte.
    Anna biss sich auf die Lippen. »Oder?«
    »Oder du heiratest.«
    Anna schoss das Blut in die Wangen. Sie wandte sich an ihren Vater.
    »Vater – bitte, du hast mir geschworen, dass ich einmal den Mann heiraten darf, den ich will. Weißt du das nicht mehr?«
    Annas Vater war sichtlich unwohl zumute.
    »Kind – da warst du sechs oder sieben Jahre alt!«
    »Gilt dein Versprechen jetzt nicht mehr?«
    Pater Urban warf Annas Vater einen eindringlichen Blick zu und gebot ihm mit einer Geste Einhalt.
    »Anna – hier geht es nicht darum, was du willst oder was du nicht willst. Hier geht es um deine Zukunft! Du bist jung und musst noch viel lernen. Glaub mir, deine Eltern und ich wissen, was das Beste für dich ist«, sagte er.
    Tränen traten Anna in die Augen, ihre Stimme zitterte, als sie erwiderte: »Ich war euch bisher immer eine gehorsame Tochter. Oder eine gehorsame Famula . Über sechzehn Jahre lang. Aber nun bin ich der Ansicht, ich bin alt genug, um über mich und mein zukünftiges Leben selbst zu bestimmen.«
    Der Prior schüttelte müde den Kopf.
    »Anna, Anna – ich dachte, ich hätte dir mehr darüber beigebracht, in was für einer Welt wir leben. Eine Frau, sei sie von niederem Stand wie du oder von hohem Adel – eine Frau muss ihrem Vater gehorchen. Das hat Gott nun einmal so eingerichtet, und daran sollten wir Menschen nicht rütteln.«
    Anna wischte entschlossen ihre Tränen aus dem Gesicht. Es waren Tränen der hilflosen Wut.
    »Aber ich möchte nicht fort!«
    Sie drehte sich um und stürmte in Richtung Tür. Ihre Mutter wollte sie aufhalten und eilte hinterher.
    »Anna, warte, bleib hier! Du versündigst dich!«
    * * *
    Sobald Annas Schritte im Gang verhallt waren, schloss Pater Urban die Tür und lehnte sich dagegen. Dann breitete er in einer hilflosen Geste die Arme aus.
    »Lasst sie. Sie wird wieder zu sich kommen und Vernunft annehmen. Gott hat Anna mit großer Klugheit gesegnet. Wenn sie gründlich über sich nachdenkt, wird sie schon erkennen, was sich ihr als Frau geziemt, und wird sich fügen.«
    Die Eltern sahen ihn mit einer Mischung aus Panik und Trauer an. Er rieb sich resigniert die Schläfen.
    »Ich habe einen solchen Ausbruch schon lange befürchtet. Ihr Widerspruchsgeist ist groß. Sie hat einen unbeugsamen Willen. Der Apfel fällt eben nicht weit vom Stamm.«
    Beschämt sahen Annas Vater und seine Frau zu Boden.
    Pater Urban fasste die Eltern beruhigend an den Schultern. »Geht mit Gottes Segen wieder nach Hause. Wenn Anna mit sich und ihrer Bestimmung wieder im Reinen ist, und dafür werde ich sorgen, schicke ich sie
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