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0319 - Im Würgegriff des roten Dämons

0319 - Im Würgegriff des roten Dämons

Titel: 0319 - Im Würgegriff des roten Dämons
Autoren: Werner Kurt Giesa
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»Manu«, flüsterte der Mann und berührte blitzschnell eine Taste der Infrarotbedienung. Das Videoband wurde gestoppt. Das Bild stand wie ein Foto fest und unbeweglich.
    »Manuela Ford…«
    Er beugte sich vor und starrte das nackte Mädchen auf dem Fernsehschirm an. Und er konnte kaum begreifen, was er sah.
    Es konnte kein Irrtum sein. Es war die ehemalige Kunststudentin aus Germany, mit der er einige Zeit zusammengelebt hatte. Sie hatten ungezählte Stunden des Glücks miteinander verbracht. Sie hatten sich geliebt. Und dann war sie durch einen Unfall von seiner Seite gerissen worden. Ein Betrunkener hatte auf einer Kreuzung eine Kollision mit ihrem Wagen verursacht. Manuela mußte sofort tot gewesen sein.
    Das war nun schon ein paar Monate her, aber er hatte Manu nie vergessen können. Und jetzt sah er sie auf dem Video.
    Das wäre an sich noch harmlos gewesen. Aber was weniger harmlos war: die Landschaft, in der sie sich befand. Er war einmal dort gewesen und erkannte Einzelheiten wieder. An genau dieser Stelle hatte er selbst gestanden. Der Rio Grande, die mexikanische Seite des Grenzflusses zwischen Mexiko und Texas. Im Hintergrund die große Wasserfläche, auf der sich die Sonne gleißend spiegelte, war das Falcon Reservoir, ein größerer Stausee.
    Mit Manuela allerdings war er niemals dort gewesen, und er wußte auch, daß sie selbst diesen kleinen Fleck Erde niemals berührt hatte. Sie konnte also gar nicht dort sein.
    Und doch - konnte diese Video-Aufnahme keine Fälschung sein. Der Mann spürte es einfach. Das, was er sah, war echt.
    Er ließ die Aufzeichnung weiterlaufen. Manuela Ford drehte sich um, lief ins aufspritzende Wasser. Wenig später kam sie zurück, die Wassertropfen glitzerten im Sonnenlicht wie Diamanten auf ihrer gebräunten Haut. Großaufnahme. Der Mann kannte jedes Detail ihres Körpers. Das war niemand, der wie Manuela aussah, das war Manuela selbst.
    Aber - sie war doch niemals am Falcon Reservoir gewesen.
    Wieder stoppte der Mann die Aufzeichnung. Er versenkte seinen Blick in Manuelas Gesicht. Sie war es, sie war es.
    Aber sie war doch in New York bei dem furchtbaren Unfall gestorben!
    Oder - etwa nicht?
    Verzweifelt stöhnte er auf. Tot oder nicht tot? Waren Zamorra und er so getäuscht worden? Aber warum?
    Sein Herz begann zu rasen. Sollte Manu noch leben? Er mußte es wissen! Er mußte es unbedingt in Erfahrung bringen. Wenn sie noch lebte - dann mußte er sie Wiedersehen! Er, der sich nach ihrem Tod verbittert zurückgezogen hatte.
    Bill Fleming…
    ***
    Bill Fleming fand keine Ruhe mehr. Einige Male spulte er die Cassette zurück und ließ das Video wieder und wieder ablaufen. Jede Kleinigkeit nahm er in sich auf, jede Bewegung, jede Einzelheit. Manuela Ford, wie sie leibte und lebte! Sie mußte es sein.
    Aber wer hatte diesen Film gedreht?
    Warum? Und wie hatte man ihm, Bill, diese Cassette zugespielt? Er wußte nicht, woher sie kam. Sie hatte einfach zwischen den anderen gelegen, die Bill unordentlich übereinander gestapelt hatte. Er hatte einfach zugegriffen und wahllos eine Cassette genommen, um sie abzuspielen. Und dann hatte er am Strandufer des Rio Grande, direkt am Falcon Reservoir, Manuela gesehen, wie sie von der Seite ins Bild kam, nackt und schön wie einst.
    Im ersten Moment hatte er an eine Täuschung geglaubt. An eine Doppelgängerin. Aber das konnte nicht sein; er war jetzt sicher. Es mußte einfach so sein, daß Manu noch lebte.
    Denn - die Aufnahmen konnten nur nach dem Zeitpunkt des Unfalls entstanden sein.
    Bill dachte nach. Er versuchte, eine andere Lösung zu finden. Doch so sehr er sich auch zu erinnern versuchte, so sehr er auch in der Erinnerung nach dem forschte, was sie ihm von früher erzählt hatte - es schied alles aus. Auch hatte sie damals ein wenig anders ausgesehen als heute, weniger gereift. Die junge Frau, die im Video zu sehen war, war die jetzige Manuela Ford.
    Mit einem Ruck erhob Bill sich aus dem Sessel. Das Standbild auf dem Fernsehschirm ließ er eingeschaltet. Er ging zum Barschrank und schenkte sich ein Wasserglas voll Whiskey ein. Er trank nicht hastig, sondern langsam. Und er dachte an das, was zurücklag, und an das, was aus ihm selbst geworden war.
    Ein verbitterter Einzelgänger, der sich von der Welt zurückzog.
    Er war nicht mehr zur Hochschule zurückgekehrt. Sein Job als Dozent für Geschichte war ihm plötzlich gleichgültig geworden. Alles war gleichgültig. Sein Leben war leer, seit Manu von seiner Seite gerissen worden
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