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Tödliches Farbenspiel

Tödliches Farbenspiel

Titel: Tödliches Farbenspiel
Autoren: Marcia Muller
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Buntglasgeschichten.«
    Die andere Frau begann zu weinen.
    »Laß sie in Ruhe!« Wintringhams Stimme
bebte vor Zorn. »Und du verteidigst sie auch noch! Natürlich. Du hast sie ja in
das alles hineingezogen. Genau wie den armen Jake. Man mag über die Arbeit
deines Vaters sagen, was man will, David, aber das war wenigstens ehrliche
Arbeit.«
    »Ehrlich! Gerade du mußt von seiner
Ehrlichkeit sprechen!«
    »Lassen wir das. Aber merk dir eines,
David: Die Leute, denen die Häuser dieser Stadt am Herzen liegen, werden nicht
vergessen, was du aus Jake Kauffmann gemacht hast. Du hast ihn verdorben und ausgebeutet,
und jetzt hast du die Bescherung. Offen gesagt, es würde mich nicht im
geringsten wundem, wenn du ihn getötet hättest.«
    Hohe Absätze klapperten energisch über
den nackten Fußboden, und die Tür vor mir wurde aufgestoßen. Eine große Frau
mit makellos frisiertem graublondem Haar stand mir für einen kurzen Augenblick
gegenüber: Eleanor van Dyne, in einem eleganten Leinenkostüm. Wie schon die
beiden ersten Male, als ich ihr zwei Jahre zuvor begegnet war, fielen mir ihre
Beine auf; sie waren erstaunlich ansehnlich für eine Frau Ende Fünfzig.
    Obwohl Eleanor van Dyne mir direkt
gegenüberstand, erkannte sie mich nicht. Sie eilte vielmehr mit einem zornigen
Schnauben an mir vorbei die Treppe hinunter und brauste wenig später in einem
weißen Mercedes davon. Von drinnen hörte ich das Weinen der anderen Frau und
Wintringhams beschwichtigendes Gerede. Ich wartete kurz, dann klopfte ich.
    »Herein«, brummte Wintringham.
    Sie waren im Salon, vor einem
gekachelten offenen Kamin, der offenbar zugemauert gewesen und jetzt teilweise
wieder freigelegt worden war. Charmaine, eine zierliche Japanerin, tupfte sich
die Augen mit einem Zellstofftuch. Sie trug einen Overall aus hellem Wildleder,
und das dunkle Haar fiel ihr glatt bis fast auf die Schultern. David
Wintringham, ein hagerer Mann mit vorspringender Hakennase, wirkte neben der
schicken Charmaine beinahe wie ein Arbeiter in seinem farbverschmierten Kittel.
Mit einer ungeduldigen Geste strich er sich das wirre dunkle Haar aus der
Stirn. Sie wirkten beide so, als hätte ich sie beim Naschen ertappt.
    Ich stellte mich vor, und Wintringham
kam auf mich zu. Charmaine warf das Papiertuch weg, kniete nieder und begann,
sich mit Tapeten- und Stoffmustern zu beschäftigen, die auf dem Boden lagen.
Doch sie gab bald wieder auf, setzte sich auf die Fersen und betrachtete
Wintringham und mich. Ihre Hände mit den krallenartig langen roten Nägeln
zuckten.
    »Es tut mir leid, daß ich Sie nicht in
meinem Büro empfangen konnte«, sagte Wintringham gewandt. »Eine Baustelle ist
nicht unbedingt der günstigste Ort für ein ruhiges Gespräch, aber Charmaine und
ich mußten noch die Pläne für die Innenausstattung dieses Hauses durchgehen,
die sie entworfen hat.«
    Ich sah mich zweifelnd um. Den
teilweise freigelegten Kamin umgab zackiges Gemäuer, ein abgenutzter goldgelber
Teppich bedeckte den Boden. Ich hatte den Eindruck, als wären die
Renovierungsarbeiten sehr plötzlich abgebrochen worden, und flüchtig schoß mir
die Frage durch den Kopf, ob Wintringhams Firma in finanziellen Schwierigkeiten
steckte.
    Wintringham sah meinem Gesicht wohl an,
was ich dachte.
    »Ja«, sagte er, »dieses Haus ist
wirklich mißhandelt worden. In den Fünfzigern wurde es in moderne Wohneinheiten
aufgeteilt. Man mauerte sämtliche Kamine zu, entfernte die ursprünglichen Tür-
und Fenstergriffe und ähnliches, zog billige Pappwände hoch und legte die
schönen Holzböden mit Teppichen aus.«
    »Aber warum denn?«
    »Moderne Wohnungen waren damals sehr
gefragt. Mein Freund Paul wohnte eine Zeitlang hier; es ist kaum vorstellbar,
aber die Wohnung sah aus wie aus einem Heft für zeitgemäßes Wohnen — helle
Farben und skandinavische Möbel.«
    Ich persönlich hatte moderne Möbel und
moderne Häuser gern, aber es erschien mir sinnlos und barbarisch, ein
klassisches altes Haus so brutal zu zerstören.
    »Da haben Sie sicher noch eine Menge
Arbeit, ehe das Haus wieder so ist, wie es einmal war. Ist es da nicht ein
bißchen früh, schon an die Innenausstattung zu denken?«
    »Nein, gar nicht. Darüber beraten wir
immer gleich zu Anfang der Renovierungsarbeiten. Wenn dann irgendwelche
baulichen Veränderungen notwendig sind, können wir sie gleich einplanen. Das
ist übrigens meine Innenarchitektin Charmaine.«
    Die Japanerin lächelte. »Einfach
Charmaine.«
    »Wie bitte?«
    »Das ist mein
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