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Toedliches Erbe

Toedliches Erbe

Titel: Toedliches Erbe
Autoren: Amanda Cross
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Geschichte aus, denn sie wußte, sie mußte reden, pausenlos reden.
    »Sie kam zu mir und hatte sich für ein Thema entschieden. >Ich möchte über Dorothy Whitmore schreiben^ sagte sie. Ich nehme an, daß ich das Gesicht verzogen habe, jedenfalls fragte sie mich, ob ich Einwände gegen das Thema hätte. ›Keine wichtigen^ sagte ich. >Ich schrecke fraglos ein bißchen davor zurück, weil Gerry Marston daran gearbeitet hatte.‹ Sie hatte einmal zusammen mit Gerry in einem meiner Seminare gesessen. ›0 nein‹, sagte sie. ›Gerry hat über Cecily Hutchins gearbeitet. An der hatte sie einen Narren gefressen. Sie hat diese Art lebendiger Romane schon immer bewundert, aber als sie auf Cecily Hutchins stieß, hat sie alles förmlich verschlungen. Es war allerdings Gerry, die mich als erste auf die Whitmore aufmerksam gemacht hat. Dorothy Whitmores Stil lag mir viel mehr. Nicht so viel von dieser Oberschicht-Attitüde, immer witzig und zu jedem Essen den passenden Wein.‹ Ich habe natürlich auf diese überlegene und nervtötende Professorenart gelacht und gesagt, zufällig wüßte ich, daß sie sich irre. Gerry habe eindeutig über die Whitmore gearbeitet. Kaum etwas wüßte ich so genau wie das.«
    Kate warf einen Blick aus dem Fenster. »Die junge Frau hat mich ziemlich verblüfft angesehen. Man widerspricht nicht so ohne weiteres einer ordentlichen Professorin, bei der man vielleicht seine Dok-torarbeit schreiben will, selbst wenn sie allem Anschein nach die Dinge nicht mehr ganz so fest im Griff hat und erste Anzeichen von Senilität zeigt. Aber die junge Frau stritt weiter mit mir. Die Bedeutung dessen wurde mir langsam klar. Wenn eine Studentin mit ihrer Professorin streitet, muß sie ihrer Sache verdammt sicher sein: Das wußte ich noch von früher. Also sagte ich, vielleicht hätte ich mich 151

    ja geirrt. Wir unterhielten uns ein bißchen über die Whitmore, und ich sagte ihr, welches Hintergrundmaterial sie sich anschauen sollte.
    Als sie gegangen war, versuchte ich zu ergründen, warum ich so fest der Meinung war, Gerry habe über die Whitmore gearbeitet. Ich setzte mich an die entsprechende Akte, die ich seit Gerry Marstons Tod nicht mehr angesehen hatte: Alle ihre Briefe an mich, ihr The-menvorschlag, der Gliederungsentwurf und die Bibliographie waren darin. Nicht der geringste Zweifel. Ihre Dissertation drehte sich von Anfang bis Ende um Cecily Hutchins. Die Whitmore wurde nur einmal erwähnt, als es um die Freunde und literarischen Beziehungen der Hutchins ging.«
    Sie sah Max an. »Glauben Sie ja nicht, daß ich zu dem Zeitpunkt mehr als eine leichte Verwirrung empfunden hätte. Offensichtlich mußte es einen Grund für meine Annahme geben, daß Gerrys Leidenschaft der Whitmore gegolten hätte. Immerhin, dachte ich mir, habe ich eine ganze Menge Studenten. Da kann so ein einfacher, gar nicht abwegiger und nicht einmal unwahrscheinlicher Fehler schon mal passieren. Aber irgend etwas hatte mich darin bestärkt. Nicht nur die Faszination, die von dem Porträt ausging. Etwas anderes. Und dann fiel es mir ein, Max. Es war dieser bis dahin ungeöffnete Brief von Gerry in Wallingford, der bewies, daß Gerry so sehr an der Whitmore interessiert war, daß sie der Hutchins in diesem Zusammenhang geschrieben hat.«
    Kate hielt inne. Sie zündete die Zigarette an und suchte umständlich nach einem Aschenbecher. Sie entdeckte einen und trug ihn zu ihrem Sessel.
    »Warum nehmen Sie nicht einen Drink?« fragte Max. »Haben Sie immer noch nichts anderes als kalifornischen Weißwein hier?«
    »Danke, ich möchte nichts trinken. Als ich diese ungeöffneten Briefe zum erstenmal sah, war ich ziemlich verwirrt. Sie paßten so gar nicht zu dem sonst so wohlgeordneten Nachlaß. Sie müssen sie absichtlich ungeöffnet gelassen haben als Tarnung für Gerrys Brief –
    Gerrys vermeintlichen Brief. Sie wollten meine Aufmerksamkeit auf Dorothy Whitmore richten. Nachdem mir das klargeworden war, verglich ich die Schrifttypen dieses Briefs mit denen von Gerrys Briefen, die sie mir wegen der Dissertation geschrieben hat. Der Wallingford-Brief war auf einer anderen Maschine geschrieben. Das allein mochte vor Gericht kein schlagender Beweis sein, aber für mich war es sehr vielsagend. Sie schreiben sehr gekonnt anderer Leute Briefe, Max. Wie gut Sie den verbindlichen Ton eines wohler-152

    zogenen Kindes treffen, das an eine berühmte Schriftstellerin schreibt! Und es ist Ihnen auch gelungen, meine Aufmerksamkeit auf das Porträt zu
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