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Tödliches Abseits (German Edition)

Tödliches Abseits (German Edition)

Titel: Tödliches Abseits (German Edition)
Autoren: Jan Zweyer
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    »Schaaalke, Schaaalke, Schaaalke«, schallte es aus vielen tausend Kehlen im Gelsenkirchener Parkstadion. Dazu wurden Schalker Vereinsfahnen rhythmisch geschwungen und königsblau-weiße Schals in den verregneten Samstagnachmittagshimmel über Gelsenkirchen-Buer gereckt.
    »Scheiße, Scheiße, Scheiße«, echoten etwa dreitausend Borussia-Dortmund-Fans in der Südkurve und zeigten ihre schwarz-gelben Farben. »Heya, heya, heya, BVB«, sangen sie.
    Sehr lange war der Dortmunder Schlachtruf allerdings nicht zu hören: »Schalke« skandierten die Blau-Weißen und klatschten kurz dreimal in die Hände. »Schalke.« Dreimaliges Klatschen. »Schalke.«
    Während sich die gegnerischen Fanblocks mit solcherlei Gesangsduellen bei Laune hielten, plätscherte das Ruhrderby zwischen Schalke 04 und Borussia Dortmund sechs Spieltage vor Saisonende ziemlich ereignislos vor sich hin. Kurz vor Ende der ersten Halbzeit stand es immer noch null zu null.
    »Foul«, schrie Rainer Esch und sprang erregt – wie Hunderte weiterer Fans – auf der Tribüne hoch, als direkt vor den Sitzplätzen an der Seitenauslinie ein Schalker Spieler etwas unsanft von den Beinen geholt wurde. »Das war ein Foul! Hast du das gesehen? Das war doch ’ne Blutgrätsche.« Rainer stieß seinen Freund Cengiz Kaya aufgeregt in die Seite. »Das muss doch ’ne Karte geben, mindestens.«
    Die Zuschauer in der Nordkurve waren der gleichen Meinung wie Esch und beschimpften den Schiedsrichter, der lediglich den Ball im Aus gesehen haben wollte. »Hängt sie auf, die schwarze Sau«, forderten die Sprechchöre, obwohl die DFB-eigene Arbeitskleidung der Schiedsrichter schon seit einigen Jahren in ein dezentes Grün getaucht war.
    »Ich glaube, der Schiri hat Recht. Der Dortmunder hat einwandfrei den Ball gespielt«, widersprach Cengiz Kaya seinem entrüsteten Freund. »Das war kein Foul.«
    »Das war kein Foul? Du hast ja keine Ahnung von Fußball. Aber was sage ich denn? Bin ja selbst schuld. Ich schleppe einen völligen Ignoranten aus dem tiefsten Anatolien, der bis vor einigen Jahren noch nicht wusste, was Abseits und Elfmeter ist, zur Wiege des Ruhrgebietsfußballs auf Schalke und nun das ...«
    »Wenn ich mich recht erinnere, habe ich die Karten bezahlt.«
    »Das ist doch jetzt völlig egal. Du bist ja so was von voreingenommen, also ...«
    Auf dem Rasen wurde der Dortmunder Spieler mit der Nummer zehn von zwei Schalkern in die Zange genommen und zu Fall gebracht. Esch, der sich gerade erst hingesetzt hatte, hielt es nicht auf dem Plastiksitz.
    »Nun schmeiß den Schauspieler doch endlich vom Platz ... Hast du den Möller gesehen, den Schwalbenkönig? Nichts war das, absolut nichts. Ein faires, sauber ausgeführtes Tackling ... und jetzt lässt sich die Mimose auch noch mit der Bahre vom Platz tragen.« Esch formte mit seinen Händen einen Trichter und schrie: »Fußball ist ein Kampfsport, kein Rasenschach. Heulsuse, Heulsuse! Was macht denn die Pfeife jetzt? Gibt der etwa Freistoß für Dortmund? Das ist doch wohl nicht wahr! Wegen einer solchen Kleinigkeit. Und eben, bei dem üblen Foul an Thon ... Der Schiri ist bestochen, sag ich dir! Bestochen!«
    Ein gellendes Pfeifkonzert klang durch das Stadion. Rainer bemühte sich redlich um Beteiligung, aber da er nicht auf zwei Fingern pfeifen konnte, war nur ein klägliches Piepsen zu hören.
    Der Freistoß von Möller wurde von Thon abgefangen, der den Schalker Gegenzug mit einem Pass über dreißig Meter nach links außen einleitete.
    »Yyyyyyyve«, stöhnte der Schalker Fanblock, als Eigenrauch den Pass annahm und in Richtung Dortmunder Tor spurtete. Eine Trompetenfanfare erklang.
    »Attacke!«, brüllten die Schalker. Eigenrauch näherte sich dem 16-Meter-Raum und umdribbelte einen Dortmunder Abwehrspieler.
    »Yyyyyyyve.« 40.000 Schalker Fans sprangen auf. Eigenrauch nahm Kurs auf den Elfmeterpunkt, als der Dortmunder Libero die Notbremse zog und den Stürmer von den Beinen holte. Der Schiedsrichter zögerte keine Sekunde, pfiff und zeigte auf den Elfmeterpunkt. Die Schalker jubelten und tanzten.
    »Ein klasse Schiedsrichter, was Cengiz?«, strahlte Rainer Esch und fiel seinem Freund um den Hals. »Der pfeift richtig souverän.«
    Auch die Dortmunder Spielertraube, die den Unparteiischen bedrängte, konnte die Entscheidung nicht mehr ändern. Als der Schiedsrichter dann auch noch einem Spieler aus der Bierstadt wegen Meckerns die gelbe Karte zeigte, klatschte Esch frenetisch Beifall. »Toller Schiri,
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