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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang
Autoren: Paul Grote
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Stadt, vielmehr ihre Schieferdächer, die Wärme speichern und reflektieren und langsam abgeben, wenn es abends kühler wird. Die Mosel, da hast du recht, dient uns auch als Wärmespeicher und reflektiert das Licht. Hier schützt obendrein der Wald im Osten und Norden den Berg vor kaltem Wind. Das Geheimnis des Doctor war immer die Lage, schon vor Jahrhunderten war dieser Berg berühmt. Dieser Vorteil lässt sich, wie jeder andere, nur ausspielen, wenn die Winzer ihr Handwerk verstehen.«
    »Und – tun sie das, kennst du sie?«
    »Nicht besonders gut, aber ihre Weine sollte man kennen. Einen Teil vom Bernkasteler Doctor bewirtschaften die Weingüter Wegeler. Die haben bereits vor hundert Jahren mit Methoden gearbeitet, die heute als modern gelten.«
    »Ein wenig mehr bitte, wir haben keine Ahnung.« Georg sprach auch in Kilians Namen, der seiner Mutter mit offenem Munde zuhörte. Karsten versuchte vergeblich, eine Eidechse zu fangen.
    »Wein soll wenig bewegt werden, also haben die Wegelers eine entsprechende Kellerei gebaut. Die Trauben kommen oben in die Traubenmühle, wo sie nur aufgebrochen werden. Von dort aus fallen sie in die Kelter, werden gepresst, und der Most rinnt einen Stock tiefer in die Gärfässer. Da braucht es keine Pumpen. Der Wein kann da auch gelagert werden. Wir sehen uns das bei Gelegenheit mal an. Bei mir ist alles viel zu eng, ihr drüben habt wenigstens die Halle. Ich muss sehen, wie ich das hinkriege, mein Nachbar will ausziehen, er hat mir sein Haus angeboten, aber ich habe nicht genügend Geld, und Kredite kriegt man heute nicht mehr.«
    Wenn ich das Haus in Hannover gut verkaufe, könnte ich einsteigen, dachte Georg und hütete sich, den Gedanken auszusprechen, ihre Reaktion vor ein paar Tagen in Erinnerung. Susanne durfte nicht den Eindruck gewinnen, dass er sich in ihre Angelegenheiten hineindrängte. Aber wenn sie ihn fragen würde?
    »Ein weiterer Teil gehört dem Weingut Witwe Dr. H. Thanisch Erben, einer Frau Rundquist, sie besitzt etwas mehr als einen Hektar. Insgesamt umfasst der Doctor nur 3,2 Hektar, es ist die einzige Lage unter fünf Hektar, wie es das Gesetz will, die als Einzellage definiert ist.«
    Schon wieder eine Frau im Wein, dachte Georg, es geht doch, sie können es anscheinend genauso gut. Wenn Susanne Hilfe bekommt, sieht sie die Arbeit nicht mehr nur als Last, und es macht ihr vielleicht Freude. Oder vergaß nur erim Weinberg seine Sorgen? Inzwischen hatte er sich in die erholsame Monotonie sich wiederholender Handgriffe eingefunden und stand sicher, auch bei einer Steigung von fünfundvierzig Grad wie hier im Doctorberg. Die Stöcke standen einzeln, die Ruten waren herzförmig gebogen, zum Lesen durch das Laubwerk zu kommen war mühsam, der Boden war kaum zu sehen, die Schritte wollten überlegt sein wie im Ürziger Würzgarten.
    War Menges nun unachtsam gewesen, oder hatte ihn jemand gestoßen? Kommissar Wenzel rückte nicht mit der Sprache raus. Manche Beamte hatten mehr Angst vor ihren Vorgesetzten als vor einer diffusen Öffentlichkeit. Fürchtete er nicht, dass man der Polizei unterstellte, nicht korrekt zu ermitteln?
    Das Gelächter von Kilian und Susanne riss ihn aus seinen Betrachtungen.
    »So geistesabwesend habe ich selten jemanden gesehen«, sagte sie, und Georg gefielen ihre Augen beim Lachen und ihr Gesicht in der herbstlichen Sonne. »Wo warst du mit deinen Gedanken?«, fragte sie.
    »Bei Menges«, sagte er milde, »der Fall lässt mir keine Ruhe. Wir wissen immer noch nicht, ob es ein Unfall oder Mord war.«
    »Manchmal muss man mit der Ungewissheit leben, möglicherweise werden wir es nie erfahren.«
    »Dann bliebe ein Mörder ungestraft?«
    »Vieles im Leben bleibt ungestraft«, sagte sie, und ihre Augen wurden dunkel und der Mund hart.
    Georg glaubte zu wissen, woran sie dachte, und er merkte, dass auch seine Lippen schmal geworden waren. Bei Rose konnte er sich gut vorstellen, dass sie sich in diese Welt zu seinen Füßen hineinfinden würde, Jasmin müsste sich eines Tages darauf besinnen, dass sie einen Vater hatte. Er würde mit dieser Ungewissheit leben, leben müssen …
    »Ich habe eine Überraschung für dich«, hörte er Susannesagen, »aber du musst bis heute Abend warten, falls du kommst …«
    »Nur bis heute Abend?«, fragte er und sah sie so offen an, dass sie rot wurde.
    Oder legte ihr die Sonne den Schimmer auf die Haut? Es wurde kühl, die Luft feucht, die Konturen verloren ihre Härte.

    Miroslawa Wozniak war nach einer
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