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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang
Autoren: Paul Grote
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Prolog
    Er stieß die Tür auf und starrte in den Nebel. Für eine Sekunde fragte er sich, ob dieser milchig weiße Dunst wirklich war und nicht nur in seinem Kopf waberte. Dann aber, als er die kalte, feuchte Luft an den Händen und im Gesicht spürte, als sie seine Lungen füllte wie eine Watte, die sich atmen ließ, hatte er die Gewissheit, dass dieser Nebel keine Einbildung war. Er machte einige Schritte in die Dunkelheit, hörte die Tür des Lokals hinter sich ins Schloss fallen, der Lärm der Stimmen erstarb vollends. So dicht wie heute war der Nebel selten, normalerweise trat er in der Frühe auf, und auch in diese Jahreszeit passte er nicht. Aber was passte heutzutage überhaupt noch zusammen? Peter Albers kratzte sich am Kopf und riss die Augen auf.
    Je weiter er sich vom Gasthaus entfernte und sich dem Parkplatz am Flussufer näherte, desto stiller wurde es. Trotzdem summten ihm die Ohren von drei Stunden Debatte, Gerede, Streit und eitel formulierten Sätzen, nichtsnutzigen Argumenten und überflüssigen Einlassungen. Da waren einige Leute einem Marketingschwätzer oder Hochstapler, was oft aufs selbe hinauslief, auf den Leim gegangen. Dieser hatte ihnen mit hohlen Phrasen imponiert, und sie wiederholten dieselben Phrasen genauso selbstverliebt. Wie jetzt das Manko in der Kasse der Stadt rechtfertigen?
    Alle Worte waren gesagt, alle Positionen geklärt, nichts war diesem Abend mehr hinzuzufügen. Keiner hatte seineAnsicht geändert, die Einstellungen hatten sich lediglich verfestigt, die Fronten verhärtet. Er konnte sich irren, aber im Grunde war kaum jemand wirklich offen gewesen, jeder führte das Gemeinwohl im Munde und verteidigte letztlich doch nur eigene Interessen. Aber das zur Sprache zu bringen, diese Ansicht vor allen zu äußern, hätte die Auseinandersetzung verschärft. Also war weiter vorgeblich um die Sache gestritten worden.
    Waren es die vielen Worte, die unnützen, gewesen, die ihn jetzt auf der steinernen Treppe taumeln ließen? Hatte ihn der Wein betrunken gemacht? Ja, der Wein war’s. Wenn er sich ärgerte, trank er nicht mehr bewusst und genussvoll, er trank schnell und ohne die richtige Wahrnehmung. Und er trank zu viel. Er starrte auf seine Füße wie auf einen fremden Teil seines Körpers und merkte, wie unsicher seine Schritte waren. Er streckte die Hand nach dem Treppengeländer aus. Unten wechselte er instinktiv die Richtung, weg von der Stelle, wo er seinen Wagen vermutete, hin zum Fluss, als ob ein Bad ihn erfrischen würde. Wie viel er getrunken hatte, wusste er nicht mehr, er wusste lediglich, dass er der Bedienung einen Fünfzig-Euro-Schein gegeben hatte, er erinnerte sich allerdings nicht mehr daran, wie viel ihm die hübsche Tschechin rausgegeben hatte. Das Wechselgeld hatte er achtlos in die Hosentasche gesteckt. Ein Schein war auch dabei.
    Er blieb stehen und blickte auf. Vom Fluss her kam das gedämpfte Brummen eines Schiffsmotors. Sogar der Schiffsdiesel klang, als wäre er hinter einer Mauer verborgen. Nur wenige Laternen am Ufer schafften es, zumindest fahle Lichtpunkte zu setzen und ihm den Weg zum Anleger zu erleichtern, dem er sich langsam mit unsicherem Schritt zuwandte.
    Verflucht, er hätte nicht so viel trinken dürfen, schlecht war ihm nicht, aber er fühlte sich unwohl, die Menge an Riesling, die er in sich hineingeschüttet hatte, stand in proportionalemVerhältnis zum Ärger, den er damit runterzuspülen glaubte. Er würde nie wieder kandidieren für nichts, für gar keinen Rat, weder in der Stadt noch in der Gemeinde. Nie wieder! Welchen Unsinn erwachsene Männer – und neuerdings auch Frauen – von sich geben konnten, war unfassbar. Sie verwickelten sich in Widersprüche, ohne es zu merken, und konterkarierten ihre eigenen Argumente. Gingen sie davon aus, dass jemand ihnen das abnahm? Waren das alles Scheingefechte, Hahnenkämpfe, bei denen es gar nicht um die Sache ging? Er hatte gedacht, die Frauen seien anders, aber waren sie erst einmal am Ruder, gaben sie es auch nicht mehr aus der Hand.
    Die Feuchtigkeit hatte sich auf dem Asphalt niedergeschlagen, er sah ihn glänzen, als er über den breiten Parkplatz stolperte und dabei Spuren hinterließ, Fußabdrücke, die sich sofort im Nebel verloren. Wie üblich hatte er nach links und rechts geschaut, wie man es ihm als Kind bereits eingetrichtert hatte, denn sein Elternhaus war nur durch die Straße vom Fluss getrennt. Ein Auto war weder zu sehen noch zu hören, bei diesem Wetter pinkelte sogar
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