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Der deutsche Goldrausch

Der deutsche Goldrausch

Titel: Der deutsche Goldrausch
Autoren: Laabs Dirk
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Prolog
Die »freie Babelsberger Höhe«
    6. Oktober 1989, Vorabend des vierzigsten Jahrestages der DDR. In einem verwilderten Garten in Potsdam trifft sich wie jeden Freitag eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern und Dissidenten. Seit die herrschende Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) die Kommunalwahlen im. Mai massiv gefälscht hat, ist das Land in einer schweren Krise. Die Proteste gegen das Regime werden heftiger und sind immer besser koordiniert. Die Männer in dem Garten treiben den Widerstand gegen die SED mit voran. Im Gegensatz zu den meisten Bürgerrechtlern sind die Mitglieder der »Freien Forschungsgemeinschaft Selbstorganisation « , so nennt sich der Think Tank, Funktionsträger im DDR-Staat. Hans-Jürgen Blüher etwa ist Chef des DDR-Verbandes der Genossenschaftsbanken, Rainer Schönfelder Software-Entwickler beim führenden ostdeutschen Computerhersteller Robotron. Dazu kommen einige Anwälte, ein Chemiker und Dr. Wolfgang Ullmann, der einzige Kirchenfunktionär der Gruppe.
    Der Garten in Potsdam, zwei Kilometer südlich der Glienicker Brücke in der Nähe eines Bahndamms gelegen, gehört dem Physiker Gerd Gebhardt, mit seinen 39 Jahren nur wenige Monate jünger als die DDR. Er ist ein aufstrebender wissenschaftlicher Star. Neben seiner Arbeit im Hygiene-Institut hat er jahrelang an seiner Doktorarbeit getüftelt. Darin analysiert Gebhardt den Energieverbrauch des Landes und sagt für das Gebiet der DDR im Jahr 1988 einen »Evolutionsbruch« – eine tiefe Krise des Systems – voraus. Selbst die NATO wird auf seine Arbeit aufmerksam und lädt Gebhardt zu einem Symposium ein. Die Staatssicherheit startet daraufhin den »Operativen Vorgang Lärm« – die Überwachung des Staatsfeindes Gerd Gebhardt. 1 Der Garten, den Gebhardt die »freie Babelsberger Höhe« nennt, eignet sich mit seinen alten Garagen und Lauben ideal als Horch- und Spähposten für die Agenten .
    Die Stimmung in der »Forschungsgemeinschaft« ist angespannt. Vor zwei Tagen hat die Reichsbahn Züge mit mehr als 7000 Flüchtlingen aus der Prager Botschaft durch den Hauptbahnhof in Dresden geleitet. Mehrere Tausend Menschen protestierten währenddessen vor dem Bahnhof, versuchten die Gleise zu stürmen und auf die versiegelten Züge zu springen. Sie warfen
die Scheiben der Haupthalle ein und zündeten Böller. Die Polizei drängte die Demonstranten ab und verhaftete 1300 Menschen in nur einer Nacht. Mehr Menschen sind in der DDR nur bei den Juni-Aufständen 36 Jahre zuvor weggesperrt worden. Die westdeutsche »Tagesschau« berichtet an diesem Freitag, dass in Dresden ein Mensch getötet worden sein soll. 2
    Gebhardt und seinen Mitstreitern stehen die Ereignisse auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking vier Monate zuvor vor Augen, als die kommunistischen Machthaber die Armee auf Demonstranten losließen. Die Soldaten der Volksarmee hatten damals Hunderte Demonstranten erschossen, erschlagen oder mit Panzern überrollt. Ausgelöst hatte die Eskalation der Besuch des sowjetischen Staatschefs Michail Gorbatschow in der chinesischen Hauptstadt. Nun ist Gorbatschow zu Besuch in Ost-Berlin. Er ist Ehrengast bei den Feiern zum vierzigsten Jahrestag der DDR. An diesem Morgen traf der sowjetische Staatschef in Berlin-Schönefeld ein. Die Stimmung im ganzen Land ist seitdem angespannt wie nie zuvor. Die Wissenschaftler halten eine Eskalation für möglich. Wenn es blutig wird, dann heute oder morgen am Rande der großen Militärparade in Ost-Berlin. Auch Leipzig, das Zentrum der Bürgerrechtsbewegung, könnte ein Brennpunkt werden. Die Bürgerrechtler fragen sich: Wäre Gorbatschow fähig, nach all den Reformen, die er seit 1985 initiiert hat, die Sowjetarmee in der DDR gegen die Bürger zu mobilisieren? Wenn Gorbatschow stillhält, ist die SED dann nicht am Ende? Und wer übernimmt dann die Macht im Land? Sie, die Reformer?
    Schließlich meldet sich der Mann des Geldes, der Banker Hans-Jürgen Blüher, zu Wort: »Wollen wir mal sehen, wie lange die Sowjetsoldaten die Ordnung aufrechterhalten und ab wann ein Hundert-DM-Schein das Kommando übernimmt. Man stellt sich ja vor, eine Invasion erfolgt durch eine Armee. Aber es könnte auch sein, dass die Soldaten Markstücke und die Unteroffiziere Zehn-Mark-Scheine sind. Dann gibt’s die Offiziere, das sind die Fünfzig-, Hundert- und Fünfhundert-Mark-Scheine. Diese Armee steht jetzt an der Grenze und wird von den DDR-Bürgern gerufen: ›Kommt zu uns.‹« Was, wenn die
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