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Tödliche Therapie

Tödliche Therapie

Titel: Tödliche Therapie
Autoren: Sara Paretzky
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verlegt wird, wenn Dr. Tregiere es für ratsam hält.
Und keinen Augenblick früher.“
    „Darüber werden Sie mit Mr. Humphries sprechen müssen.“
Sie stand auf mit einer entschiedenen Handbewegung, die als
Einschüchterungsversuch gedacht war, aber sie sah dabei aus wie ein
schlechtgelaunter Spatz, der einen Brotkrumen attackiert. Sie hüpfte einen
kurzen Flur hinunter und verschwand hinter einer schweren Tür.
    Der Schwester erschien das der richtige Augenblick,
um zu gehen. Wer immer Mr. Humphries war, sie wollte nicht, daß er sie während
der Arbeitszeit hier herumlungern sah.
    Ich nahm das Formular, das Mrs. Kirkland hatte
ergänzen wollen. Name, Alter, Größe, Gewicht, alles unbekannt. Bei Geschlecht
hatten sie einen Tip gewagt, ebenso wie bei Bezahlung: „Mittellos“, ein
Euphemismus für das treffendere Wort „arm“. Amerikaner hatten nie viel übrig
für Armut, aber seit Reagan das Sagen hat, ist sie zu einem mindestens so
abscheulichen Verbrechen avanciert wie Kindsmißhandlung.
    Ich schrieb gerade Consuelos Daten in das Formular,
als Mrs. Kirkland mit einem Mann in meinem Alter zurückkam. Sein braunes Haar
war kunstvoll gefönt, jedes einzelne Haar akkurat der Länge nach angeordnet wie
die dünnen Streifen in seinem Leinenanzug. In Bluejeans und T-Shirt mußte ich
daneben ziemlich schlampig aussehen.
    Er streckte mir eine Hand mit blaßrosa lackierten
Fingernägeln entgegen. „Ich bin Alan Humphries - geschäftsführender Direktor
des Krankenhauses. Mrs. Kirkland sagte mir, Sie hätten ein Problem.“
    Meine Hand war klatschnaß vor Schweiß. Seine, als
er sie zurückzog, auch. „Ich bin V. I. Warshawski - Freundin und Anwältin der
Familie Alvarado. Mrs. Kirkland behauptet, es sei Ihnen eventuell nicht
möglich, Mrs. Hernandez zu behandeln, weil Sie der Ansicht sind, daß sie als
Mexikanerin nicht in der Lage sei, die Rechnung zu bezahlen.“
    Humphries riß beide Hände hoch und gluckste. „Um
Gottes willen! Zugegebenermaßen sind wir darauf bedacht, nicht zuviele
mittellose Patienten aufzunehmen. Aber wir sind uns unserer Pflicht bewußt,
gemäß dem Gesetz des Staates Illinois Notfälle dieser Art behandeln zu müssen.“
    „Warum sagte dann Mrs. Kirkland, daß Sie Mrs.
Hernandez in ein staatliches Krankenhaus verlegen wollen?“
    „Ich bin sicher, daß hier ein Mißverständnis
vorliegt. Wie ich hörte, sind Sie beide etwas in Rage geraten. Absolut verständlich
- es war ein anstrengender Tag für Sie.“
    „Was genau tun Sie für Mrs. Hernandez?“
    Humphries lachte jungenhaft. „Ich bin
Verwaltungsfachmann und kein Mediziner. Also kann ich Ihnen nicht die Einzelheiten
der medizinischen Behandlung nennen. Aber wenn Sie mit Dr. Burgoyne sprechen
möchten, werde ich dafür sorgen, daß er Sie im Wartezimmer aufsucht, sobald er
die Intensivstation verlassen hat... Mrs. Kirkland sagte, daß der Arzt des
Mädchens kommen würde. Wie ist sein Name?“
    „Malcolm Tregiere. Er arbeitet bei Dr. Charlotte
Herschel. Ihr Dr. Burgoyne wird von ihr gehört haben - sie gilt als Kapazität,
was Geburtshilfe anbelangt.“
    „Ich werde ihn über Dr. Tregieres Kommen
unterrichten lassen. Jetzt konnten Sie und Mrs. Kirkland das Formular fertig
ausfüllen. Wir sind darauf bedacht, unsere Akten in Ordnung zu halten.“
    Ein nichtssagendes Lächeln, eine manikürte Hand,
und er kehrte in sein Büro zurück.
    Mrs. Kirkland und ich fügten uns, ohne unsere
gegenseitige Abneigung zu verbergen.
    „Ihre Mutter wird Ihnen Auskunft bezüglich der
Krankenversicherung geben können“, sagte ich kalt. Ich war ziemlich sicher, daß
Consuelo bei ihrer Mutter mitversichert war - die Möglichkeit, ihre Kinder
mitversichern zu lassen, war ein Grund gewesen, warum Mrs. Alvarado seit
zwanzig Jahren für die MealService Corporation arbeitete.
    Nachdem ich das Formular unterschrieben hatte, ging
ich zur Notaufnahme zurück, weil dort auch Tregiere ankommen würde. Ich parkte
meinen Wagen ordnungsgemäß, ging in der heißen Julisonne auf und ab,
verscheuchte Gedanken an das kühle Wasser des Michigansees und an Consuelo, die
an weiß Gott wievielen Schläuchen hing, sah alle paar Minuten auf die Uhr und
versuchte, Malcolm Tregiere herbeizuwünschen.
    Um vier Uhr hielt ein blaßblauer Dodge quietschend
neben mir. Tregiere sprang sofort aus dem Auto, Mrs. Alvarado stieg langsam auf
der Beifahrerseite aus. Tregiere war Schwarzer, ein schlanker, ruhiger Mann,
und er strahlte das enorme Selbstvertrauen aus, das jeder
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