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Tödliche Therapie

Tödliche Therapie

Titel: Tödliche Therapie
Autoren: Sara Paretzky
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ganzen
Sommer über im Nacken gesessen. Einmal hatten sie ihn verprügelt, wie mir
Carol erzählt hatte, etwas besorgt, weil Fabiano lockere Verbindungen zu einer
der Straßenbanden unterhielt, aber die Prügel hatten ihn immerhin dazu
gebracht, Arbeit zu suchen. Und jetzt war Fabiano an was Brandheißem. Eine
Fabrik in der Nähe von Schaumburg stellte ungelernte Arbeiter ein. Carol hatte
einen Freund, dessen Onkel dort Manager war; er hatte zugestimmt, Fabiano zu
helfen, wenn er zu einem Vorstellungsgespräch hinauskäme.
    Carol hatte mich heute morgen um acht aufgeweckt.
Es war ihr furchtbar unangenehm, mich zu belästigen, aber alles hing davon ab,
daß Fabiano zu diesem Gespräch erschien. Sein Auto hatte den Geist aufgegeben -
„dieser Mistkerl, wahrscheinlich hat er ihn selbst kaputtgemacht, nur damit er
nicht fahren muß!“ -, Lotty war zu beschäftigt, Mama hatte keinen Führerschein,
Diego, Paul und Herman mußten arbeiten. „V. I., ich weiß, daß es eine Zumutung
ist. Aber du gehörst fast zur Familie, und ich kann keine Fremden in Consuelos
Geschichten hineinziehen.“
    Ich hatte die Zähne zusammengebissen. Fabiano war
einer dieser halb trüben, halb arroganten Typen, mit denen ich ständig als
Pflichtverteidigerin konfrontiert gewesen war. Vor acht Jahren, als ich auf
Privatdetektiv umsattelte, hatte ich gehofft, sie endgültig hinter mir zu
lassen. Aber die Alvarados waren immer so überaus hilfsbereit - letztes Jahr an
Weihnachten opferte Carol einen ganzen Tag und kümmerte sich um mich, nachdem
ich ein unfreiwilliges Bad im Michigansee genommen hatte. Nicht zu vergessen,
daß Paul Alvarado auf Jill Thayers Baby aufpaßte, als sie selbst in
Lebensgefahr schwebte. Ich erinnerte mich an unzählige andere Gelegenheiten,
wichtige und unwichtige - mit blieb nichts anderes übrig. Ich versprach also,
sie mittags von Lottys Praxis abzuholen.
    Die Praxis lag so nahe am See, daß eine Brise die
unerträgliche Sommerhitze linderte. Aber als wir die Schnellstraße erreichten
und auf die im Nordwesten gelegenen Vororte zufuhren, schlug uns schwüle Luft
entgegen. Mein kleiner Wagen hatte keine Klimaanlage, und der heiße Wind, der
durch die offenen Fenster hereinblies, dämpfte sogar Consuelos Begeisterung.
Im Spiegel sah sie bleich und schlapp aus. Fabiano hatte sich in die andere
Ecke des Rücksitzes verzogen mit der mürrischen Begründung, daß es zu heiß sei,
um nahe beieinander zu sitzen. Wir kamen zu einer Kreuzung mit der Route 58.
    „Hier in der Nähe müssen wir abbiegen“, sagte ich
über die Schulter. „Nach rechts oder nach links?“
    „Links“, brummte Fabiano.
    „Nein“, sagte Consuelo. „Nach rechts. Carol sagte,
vom Highway aus nach Norden.“
    „Vielleicht solltest du mit dem
Manager reden“, entgegnete Fabiano wütend auf spanisch. „Du hast den Termin für
das Gespräch ausgemacht, du weißt den Weg. Traust du mir zu, daß ich allein
reden kann oder willst du das auch noch übernehmen?“
    „Tut mir leid, Fabiano. Bitte, entschuldige. Ich
kümmere mich doch nur wegen dem Baby um alles. Ich weiß, daß du damit allein
fertig wirst.“ Er stieß ihre ausgestreckte Hand zurück.
    Wir erreichten den Osage Way. Ich bog nach Norden
ab und fuhr noch ungefähr zwei Meilen. Consuelo hatte recht gehabt: die Canary
and Bidwell Farbenwerke lagen an dieser Straße in einem modernen Industriegebiet.
Das niedere weiße Gebäude stand auf einer Grünfläche, zu der ein künstlicher
See gehörte, sogar mit Enten drauf.
    Bei diesem Anblick erwachte Consuelo zu neuem
Leben. „Wie hübsch. Wie angenehm wird es für dich sein, hier zu arbeiten, mit
den Enten und den Bäumen draußen.“
    „Wie hübsch“, stimmte Fabiano sarkastisch zu. „Nach
dreißig Meilen Fahrt in der Gluthitze bin ich unheimlich geil auf die Enten.“
    Ich fuhr auf den Besucherparkplatz. „Wir werden zum
See gehen während deiner Unterredung. Viel Glück!“ Ich legte soviel
Begeisterung wie möglich in diesen Wunsch. Falls er keine Arbeit fand, bevor
das Baby kam, zog sich Consuelo möglicherweise von ihm zurück, ließ sich
scheiden oder die Ehe annullieren. Trotz ihrer strengen moralischen Grundsätze
würde sich Mrs. Alvarado um ihr Enkelkind kümmern. Vielleicht befreite die
Geburt Consuelo von ihren Ängsten und verhalf ihr zu einem neuen Leben.
    Sie wollte Fabiano zum Abschied küssen, aber er
wandte sich ab. Sie folgte mir den Weg hinunter zum Wasser, ihr Siebenmonatsbauch
machte sie schwerfällig und langsam. Wir
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