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Tödliche Therapie

Tödliche Therapie

Titel: Tödliche Therapie
Autoren: Sara Paretzky
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SARA PARETSKY
     
    Tödliche Therapie
     
    Ein Vic Warshawski Kriminalroman
     
    Aus dem Amerikanischen von Anette Grube
     
    Für Kathleen
     
    Die dumpfe Liebe Irdischer
    (Da Seele an den Sinnen klebt)
    Trägt Trennung nicht, denn Abschied raubt
    Die Elemente, draus sie lebt.
    Doch wir, durch Liebe, die so fein
    Daß wir kaum wissen, was sie ist,
    Vom Geist gesichert, sorgen kaum,
    Ob Lippe wir und Hand vermißt.
    Die Seelen, die nur eine sind,
    Erleiden - geh ich fort jetzt auch -
    Doch keinen Bruch; sie weiten sich,
    Wie Gold gehämmert wird zu Hauch.
     
    john donne   Abschied : Verbot zu trauern
     
     
    1   Jenseits von
O'Hare
     
    Die Hitze und die grelle Eintönigkeit der Straße
brachte alle zum Schweigen. Die Julisonne flimmerte über McDonalds, Video
King, Computerland, Burger King, einer Autohandlung und dem nächsten McDonalds.
Ich hatte Kopfweh vom Verkehrslärm, von der Hitze und der Eintönigkeit. Keine
Ahnung, wie es Consuelo ging. Als wir aus der Praxis kamen, war sie völlig
überdreht gewesen, hatte andauernd geplappert über Fabianos Job, über das Geld,
über die Ausstattung für das Baby.
    „Jetzt wird Mama mich zu dir ziehen lassen“, hatte
sie frohlockt und sich verliebt bei Fabiano untergehakt.
    Bei einem Blick in den Rückspiegel konnte ich
keinerlei Anzeichen von Freude auf seinem Gesicht erkennen. Fabiano war sauer.
„Eine Flasche“, nannte ihn Mrs. Alvarado, die wütend war auf Consuelo, den
Liebling der Familie, der sich ausgerechnet in so einen verliebt hatte, sich
von ihm hatte schwängern lassen. Und sich entschieden hatte, das Kind zu bekommen
... Consuelo, die immer streng beaufsichtigt worden war (aber man konnte sie
schließlich nicht jeden Tag von der Schule nach Hause bringen), stand jetzt
faktisch unter Hausarrest.
    Nachdem Consuelo ein für allemal klargestellt
hatte, daß sie das Kind auf die Welt bringen würde, hatte Mrs. Alvarado auf
einer Hochzeit bestanden (in Weiß, in der Kirche zum Heiligen Grab). Aber sie
hatte, nachdem der Ehre Genüge getan war, ihre Tochter bei sich zu Hause
behalten. Fabiano lebte bei seiner Mutter. Es hätte alles ziemlich absurd
gewirkt, hätte Consuelos Leben nicht eine gewisse Tragik aufgewiesen. Und um
ihr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, Mrs. Alvarado wollte weiteres Unglück
vermeiden. Consuelo sollte sich nicht versklaven lassen von einem Kind und
einem Mann, der nicht einmal versuchte, Arbeit zu finden.
    Consuelo war vor kurzem mit der High-School fertig
geworden - ein Jahr früher als üblich aufgrund ihrer hervorragenden
Leistungen -, aber sie hatte keine echte Begabung. Trotzdem hatte Mrs.
Alvarado darauf bestanden, daß sie studieren sollte. Als Klassenbeste,
Schulball-Königin, Gewinnerin zahlreicher Stipendien sollte Consuelo ihre
Möglichkeiten nicht für ein Leben in Knechtschaft und Ausbeutung wegwerfen.
Mrs. Alvarado wußte, worauf es im Leben ankam. Sie hatte sechs Kinder
großgezogen und zeit ihres Lebens als Kellnerin in der Cafeteria einer der
großen Banken gearbeitet. Ihre Tochter, so hatte sie beschlossen, sollte Ärztin
oder Rechtsanwältin oder Geschäftsführerin werden und die Alvarados zu Ruhm und
Reichtum führen. Dieser maleante, dieser gamberro würde ihre glorreiche Zukunft nicht zerstören.
    Das alles hatte ich schon zigmal gehört. Carol
Alvarado, Consuelos ältere Schwester, arbeitete als Krankenschwester bei Lotty
Herschel. Sie hatte Consuelo auf Knien angefleht, doch abzutreiben. Consuelos
Gesundheitszustand war nicht gut; mit vierzehn hatte man ihr eine
Gebärmutterzyste entfernt, und sie war zuckerkrank. Sowohl Carol als auch Lotty
hatten versucht, Consuelo beizubringen, daß sie unter diesen Umständen mit
einer Risikoschwangerschaft rechnen müßte, aber Consuelo war nicht zu
überzeugen gewesen. Sechzehn, zuckerkrank und schwanger - das ist kein sehr
erfreulicher Zustand. Ende Juli und in einem Auto ohne Klimaanlage nahezu
unerträglich. Aber Consuelo, mager und krank, war glücklich. Sie hatte einen
idealen Ausweg gefunden, um dem Druck und den maßlosen Erwartungen zu
entkommen, die der Rest der Familie seit ihrer Geburt auf ihr ablud.
    Jeder wußte, daß Fabiano nur deshalb Arbeit suchte,
weil er Angst vor Consuelos Brüdern hatte. Seine Mutter schien absolut
willens, ihn auf unbegrenzte Zeit zu unterstützen. Offenbar dachte er, wenn er
die Dinge nur lange genug schleifen ließe, könnte er sich irgendwann aus
Consuelos Leben davonstehlen. Aber Paul, Herman und Diego waren ihm den
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