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Ich arbeite in einem Irrenhaus

Ich arbeite in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite in einem Irrenhaus
Autoren: Martin Wehrle
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    Einleitung
Die Spuren des Irrsinns
    Was deutsche Firmen anpacken, das packen sie gründlich an. Ihre Arbeit gilt als präzise, auf den Millimeter. Ihre Termintreue gilt als legendär, auf die Sekunde. Und ihnen wird immer noch so viel Seriosität zugeschrieben, dass einige Kunden den Mann hinterm Bankschalter als »Schalterbeamten« bezeichnen, auch wenn er nicht für den Staat arbeitet, sondern für eine moderne Zockerbande.
    Doch eines fällt auf. Der Ruf der deutschen Firmen ist umso besser, je weiter man sich aus Deutschland entfernt. Am besten auf andere Kontinente. Wer in Fernost den Namen einer deutschen Weltfirma nennt, zaubert Glanz in die Augen seines Gesprächspartners. Dagegen kann es in Deutschland passieren, dass der andere nur die Augen verdreht. Vielleicht ist er ja Mitarbeiter dieser Firma. Und kennt die ganze Wahrheit!
    Wenn Mitarbeiter auspacken, bröckeln die Fassaden deutscher Unternehmen. Scheinbar seriöse Firmen, mit Namen wie Gütesiegeln, entpuppen sich als Blindgänger, als Geldvernichter, als lächerliche Chaostruppen. Die Vernunft hat zum Firmengelände keinen Zutritt – der Irrsinn sehr wohl.
    Wie ich zu dieser Aussage komme? Ich bin Karriereberater. Wer mich bucht, will offen über seine Firma reden – über Zustände, Missstände und Abgründe. Über das, was er im Alltag runterschluckt, statt es rauszubrüllen, was er in seiner Firma sieht, aber nicht gesehen haben darf: All diesen Irrsinn packt er im Beratungsgespräch aus. So entsteht ein ungeschminktes Bild seiner Firma, eine Innenansicht, die jeder Werbeagentur die Haare zu Berge stehen ließe.
    Wie oft habe ich schon gedacht: »Völlig irre, was in deutschen Firmen läuft! Das sollte die Öffentlichkeit einmal wissen.« Zeit für dieses Buch! Hier habe ich haarsträubende Erlebnisse von Mitarbeitern versammelt und zeige die Unternehmen von einer Seite, die in der Imagebroschüre aus gutem Grund fehlt: von der Innenseite.
    Wenn Sie bislang dachten, nur Ihre Firma sei ein Irrenhaus – Sie werden sich die Augen reiben. Denn die meisten Unternehmen in Deutschland gibt es zweifach: in der Außendarstellung, wie sie gerne wären – und in der Innenansicht, wie sie wirklich sind. Verschleiert von Hochglanzbroschüren, ausgelassen in Geschäftsberichten, schöngeredet von Managern, tobt sich hinter vielen Firmenmauern der reinste Irrsinn aus.
    Die Firmen sind nicht mit den Märkten, sondern mit sich selbst beschäftigt: Konzerne gleichen Kindergärten. Mittelständler pflegen Mittelmaß. Familienbetriebe bräuchten Familientherapie. Die Führung kommt als Verführung, der Vertrieb als Kundenvertreibung, die Gemeinschaft als Gemeinheit daher.
    Diesen alltäglichen Irrsinn hinter Firmenmauern kennen nur die Mitarbeiter. Sie erleben ihre Firma, wie sie keiner kennt – als Käfig voller Narren, als Irrenhaus GmbH. Nach einer Umfrage der Internet-Jobbörse StepStone »schämen« sich 50 Prozent der Mitarbeiter in Deutschland für ihren Arbeitgeber. 1
    Man kann die Firmen mit Restaurants vergleichen. Es gibt den Speiseraum, wo die Gäste dinieren, die Kunden hofiert werden, das Personal freundlich ist. Aber die eigentliche Arbeit passiert hinter den Kulissen: in der Küche. Kein Außenstehender bekommt mit, wie viele Teller am Boden zerschellen, wie viele Pfannen in Flammen aufgehen und ob der Küchenchef in die Suppe spuckt. Dieses Gesicht – das wahre Gesicht einer Firma – ist in der Speisekarte nicht enthalten. Nur das Personal sieht es.
    Wer in einer Küche arbeitet, nimmt den Geruch der Speisen an. Wer in einem Irrenhaus arbeitet, auf den kann der Irrsinn abfärben. Das fängt an mit kleinen Marotten, etwa indem ein Mitarbeiter seinen tyrannischen Chef imitiert, und hört auf mit gesundheitlichen Katastrophen. Nie war die Zahl der psychischen Erkrankungen unter deutschen Arbeitnehmern so hoch wie heute; ihr Anteil hat sich von 1990 bis 2008 verdoppelt. Als Gründe gelten: irrer Stress und irrsinnig wenig Anerkennung. 2
    Die Unternehmen, Tretmühlen von einst, sind die Klapsmühlen von heute geworden. Was in diesen »geschlossenen Anstalten« vorfällt, wie es zur Einweisung der Insassen kommt und welche Zwangsjacken gängig sind – diese Abgründe werde ich für Sie ausleuchten.
    Im ersten Teil des Buches stelle ich Ihnen »Einen Käfig voller Narren« vor und erkläre die heimliche Irrenhaus-Ordnung. Sie werden erleben, wie der »Irrsinn in XXL « die Konzerne regiert, wie der »vererbte Wahnsinn« den Mittelstand
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