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Tödliche Therapie

Tödliche Therapie

Titel: Tödliche Therapie
Autoren: Sara Paretzky
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tröstlich auf Humphries' Schulter. Er mußte für
Fernsehauftritte geübt haben - seine dramatische Geste kam voll zur Wirkung.
„Mein Mandant hat einen langen und anstrengenden Tag hinter sich. Ich glaube,
Ms. Warshawski, die eine wohlmeinende Privatdetektivin ist, wurde von ihren
Gefühlen für den Arzt davongetragen, der sich heute unglücklicherweise das
Leben genommen hat.“
    Plötzlich sah ich rot, das Blut schoß mir in den
Kopf, und ich boxte mich durch bis zu Dick. Als er mich sah, richtete er sich
steif auf und zog Humphries näher zu sich heran. Jemand hielt mir ein Mikrophon
unter die Nase, und ich wandte meine ganze Willenskraft auf, um zu lächeln,
anstatt es zu ergreifen und Dick damit den Schädel einzuschlagen. „Ich bin die
gefühlvolle Ms. Warshawski“, sagte ich so leichthin wie möglich. „Nachdem   Mr.   Yarborough   ein   Golfspiel unterbrechen mußte, um hierher
aufs Gericht zu eilen, war er leider nicht in der Lage, sich in der kurzen Zeit
alle Fakten geläufig zu machen. Sobald er morgen die Zeitungen zu Gesicht
bekommt und von der geheimen Absprache zwischen dem Staat Illinois und seinem
Mandanten erfährt, wird er sich wünschen, auf dem Golfplatz geblieben zu sein.“
    Gelächter brandete auf. Ich verdrückte mich,
während Fragen auf mich einprasselten, warf einen Blick zurück und sah, wie
Dick um Selbstbeherrschung rang. Dann ging ich zu meinem Auto. Rawlings war im
Gewühl verschwunden.
    Dick beendete seine Pressekonferenz kurz darauf. Er
bugsierte Humphries in seinen Mercedes und fuhr los Richtung Norden. Ich mußte
aus meinem alten Chevy alles rausholen, was in ihm steckte, um mit seinem
schnellen Wagen mitzuhalten. Einmal auf dem Kennedy Expressway Richtung O'Hare
erhöhte Dick das Tempo und wechselte ständig zum Überholen die Spur. Es war
jetzt fast völlig dunkel, eine schlechte Zeit, um jemanden zu verfolgen. Nur
dank der typischen Anordnung der Rücklichter seines Mercedes verlor ich ihn
nicht aus den Augen. Hinter O'Hare bemerkte ich, daß ein brauner Buick Le Sabre
mein ständiger Begleiter war. Er hielt sich eine Zeitlang hinter mir, fuhr dann
an mir vorbei und hinter dem Mercedes weiter, den er schließlich überholte, um
sich dann wieder hinter mich zurückfallen zu lassen. Unsere Geschwindigkeit
betrug mittlerweile mehr als siebzig Meilen. Mein Auto vibrierte. Hätte ich
plötzlich bremsen müssen, hätte mich der Buick glatt überrollt. Meine Hände auf
dem Lenkrad waren schweißnaß. Dick nahm die nächste Ausfahrt, ohne zu blinken.
Ich riß das Steuer nach rechts, spürte, wie die Reifen den Kontakt zum Boden
verloren, als ich kurz umblickte und sah, wie mir der Buick an zwei hupenden
und bremsenden Autos vorbei nachraste, bekam wundersamerweise den Wagen wieder
unter Kontrolle und machte Dicks Rücklichter ungefähr eine halbe Meile vor mir
aus. Ich redete meinem Chevy gut zu und brachte ihn auf achtzig. Der Buick
folgte mir in etwa dreißig Meter Abstand. Mein Revolver lag noch immer in dem
verschlossenen Handschuhfach. Ich traute mich nicht, eine Hand vom Steuer zu
nehmen und an dem Schloß herumzufummeln, um ihn herauszuholen. Ich konnte
einfach nicht fassen, daß uns die Polizei so lange unbehelligt so schnell
fahren ließ.
    Ich war von Kopf bis Fuß durchgeschwitzt, als wir
auf fünfundfünfzig Meilen verlangsamten und auf den Northwest Highway abbogen.
Von da an wurde die Fahrt gelassener, bisweilen mußten wir an Ampeln anhalten,
örtliche Polizeiautos patroullierten. An einer Ampel konnte ich den Schlüssel
fürs Handschuhfach von meinem Schlüsselbund lösen, bei der nächsten schloß ich
das Fach auf, holte den Revolver heraus und steckte ihn in meine Jackentasche.
    Humphries lebte in Barrington Hills, gut fünfzig
Meilen vom Loop entfernt. Dank Dicks Tempo fuhren wir bei Humphries knapp
siebzig Minuten, nachdem wir das Gerichtsgebäude verlassen hatten, vor. Dick
bog in die Einfahrt ein, der Buick und ich fuhren daran vorbei. Mein Verfolger
überholte mich und verschwand an der nächsten Straßenecke. Ich fuhr an den
Straßenrand, hielt an und legte den Kopf auf das Lenkrad, meine Arme zitterten.
Ich mußte etwas essen. Seit über zwölf Stunden hatte ich nichts mehr zu mir
genommen, und in der Zwischenzeit war mein ganzer Blutzucker verbraucht. Ich
wünschte, ich hätte eine Partnerin, die mir jetzt etwas Eßbares geholt hätte.
Da ich nun einmal keine hatte, mußte ich mich selbst darum kümmern und meinen
Beobachtungsposten kurzfristig
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