Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliche Therapie

Tödliche Therapie

Titel: Tödliche Therapie
Autoren: Sara Paretzky
Vom Netzwerk:
Wiedersehen.“
    Nachdem sie aufgelegt hatte, wartete ich, bis ich
hörte, wie der zweite Hörer aufgelegt wurde. Ich lächelte grimmig und fuhr zum
Revier zurück. Mittlerweile brachten alle Sender die Neuigkeit. Zwei
Fernsehstationen hatten Übertragungswagen vor dem Revier postiert. Um halb fünf
brach plötzlich hektische Aktivität aus. Eine Gruppe uniformierter Polizisten
führte Alan Humphries aus einem Seiteneingang und schirmte ihn ab. Sie setzten
ihn in einen Polizeitransporter und holten drei weitere Männer in Handschellen.
Jeder Schritt Humphries' wurde von den Kameras festgehalten. Die Hauptmeldung
für die Zehn-Uhr-Nachrichten konnte ich mir lebhaft vorstellen: Mary Sherrod
vor einem Übertragungswagen wild spekulierend, was eigentlich vorgehe.
    Dick kam ein paar Minuten später heraus. Mit
aufheulendem Motor fuhr er aus dem Parkplatz und dem Polizeiwagen nach. Ich
ließ den Motor an und machte mich ebenfalls auf den Weg, allerdings etwas
langsamer, die Western Avenue bis zur Ecke Sechsundzwanzigste Straße/California
Boulevard, wo sich das Strafgericht befand. Weil der Transporter an Kreuzungen
das Blaulicht einschaltete, fiel ich schnell zurück. Ich sah mich um, ob wir
noch weitere Begleitfahrzeuge aufgelesen hatten, aber Dicks Wagen war der
einzige, der dem Transporter folgte; mir hatte sich niemand an die Fersen
geheftet.
    Das Gerichtsgebäude war in den zwanziger Jahren
erbaut worden. Die Stuckdecken, die geschnitzten Türen und die mosaikartigen
Marmorböden bildeten einen seltsamen Kontrast zu den Verbrechen, die hier
verhandelt wurden. Am Eingang mußte ich mich gründlich durchsuchen lassen -
meine Handtasche wurde ausgeleert, wobei ein Ohrring zum Vorschein kam, von
dem ich angenommen hatte, ich hätte ihn am Strand verloren. Die Beamtin kannte
mich noch aus meinen Verteidigertagen. Wir unterhielten uns eine Weile über
ihre Enkelkinder, bevor ich in den dritten Stock hinaufging, wo die Schnellverfahren
durchgeführt wurden.
    Dick nutzte die Verhandlung für einen gekonnten
Auftritt: hellgrauer, dreiteiliger Anzug, sein blondes Haar makellos nach
hinten gekämmt, als wäre er eben erst der Trockenhaube entstiegen - die
Inkarnation des omnipotenten Anwalts. Humphries wirkte nüchtern und
verständnislos, ein gesetzestreuer Mann, der in den Strudel von Geschehnissen
geraten war, die er nicht begriff, der aber sein Bestes tat, um zu ihrer
Klärung beizutragen. Die Staatsanwältin, Jane LeMarchand, war gut informiert.
Sie war eine erfahrene und fähige Juristin, aber ihr Antrag auf Abweisung einer
Haftverschonung gegen Kaution wurde abgelehnt aufgrund der Tatsache, daß es
bislang keine Beweise für die Aussage eines inzwischen toten Mannes gab. Der
Richter verfügte, daß der Staat aller Wahrscheinlichkeit nach Grund hatte,
Humphries gerichtlich verfolgen zu lassen, setzte die Kaution auf
hundertfünfzigtausend Dollar fest und ließ den Fall in den Computer eingeben,
damit er einem Richter in der ersten Instanz zugewiesen würde. Dick schrieb mit
schwungvoller Geste einen Scheck auf zehn Prozent der Kautionssumme aus, und
er und Humphries verließen in einem Blitzlichtgewitter den Saal. In meiner Wut
gab ich den Reportern Dicks Privatnummer und Adresse. Kleinlich von mir, aber
es war mir unerträglich, ihn so völlig ungeschoren davonkommen zu sehen.
    An der Eingangstür traf ich auf Rawlings. „Wir
werden uns in diesem Fall sehr anstrengen müssen, Ms. Warshawski, falls es zu
einem Prozeß kommt.“
    „Sie meinen zum ersten Antrag auf Vertagung“,
erwiderte ich bitter. „Der Prozeß wird frühestens in fünf Jahren stattfinden.
Wollen wir wetten?“
    Er rieb sich mit seiner dicken Hand müde die Stirn.
„Vergessen Sie's. Wir haben versucht, den Richter dazu zu bringen, uns diesen
Schuft für vierundzwanzig Stunden zum Verhör zu überlassen - ich hätte gern
gesehen, daß der Kerl wenigstens eine Nacht im Gefängnis schmort, aber Ihr Mann
- Ihr Ex-Mann - war zu raffiniert für uns. Wollen Sie irgendwo etwas trinken?
Oder essen?“
    Ich war überrascht. „Gern - nur nicht heute. Ich
muß heute nacht noch was erledigen. Könnte nützlich für uns sein.“ Oder alles
verderben, fügte ich im stillen hinzu.
    Er kniff die Augen zusammen. „Sie haben einen
langen Tag hinter sich, Warshawski. Glauben Sie nicht auch, daß es für heute
genug ist?“
    Ich lachte, sagte aber nichts. Wir bahnten uns
einen Weg durch die Fernsehleute und Kameras am Fuß der Treppe. Dick stand
oben, eine Hand
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher