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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung
Autoren: Anne Perry
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unterstützen.« Er zuckte kaum merklich mit den Schultern. »Dadurch ist er natürlich noch lange kein Gentleman, aber es verleiht ihm zumindest einen Hauch von Respektabilität.« Fitz-Robert drehte sich wieder zu Rathbone um. Er lächelte, weil sie beide genau wussten, was er meinte: Jene subtile Anerkennung, die denen, die damit geboren wurden, mehr oder weniger in den Schoß fiel, während sie für andere beinahe unerreichbar blieb.
    Rathbone erwiderte das Lächeln. »Wer ist er?«, fragte er. »Er kommt mir nicht bekannt vor.«
    »Barton Lambert«, erwiderte Fitz-Robert. »Seine Tochter Zillah ist mit Killian Melville, dem Architekten, verlobt. Ich kann ihn heute Abend hier allerdings nirgendwo entdecken.« Er sah sich um. »Der Mann ist ganz vernarrt in seine Arbeit. Kein besonders geselliger Typ.«
    Rathbone war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob er noch mehr wissen wollte. Solange es Verbrechen und schreiende Ungerechtigkeiten zu bekämpfen galt, warum um alles auf der Welt sollte er seine Zeit und Fähigkeiten darauf verwenden, einen törichten jungen Mann vor den Konsequenzen seines Ehrgeizes zu bewahren? Er hatte es einer jungen Frau gegenüber an Aufrichtigkeit mangeln lassen, einer Frau, die, wenn schon nicht sein Wort, so doch sein Verhalten auf eine bestimmte Weise gedeutet hatte - falsch gedeutet, wie sich herausstellte. Es war im Grunde keine Angelegenheit, mit der sich das Gesetz beschäftigen sollte. Das Ganze ließ sich gewiss mit einigen wohlgewählten Worten, ein wenig Feingefühl und einer strategischen Neuausrichtung regeln.
    »Ein genialer Bursche übrigens«, fuhr Fitz-Robert fort.
    »Wahrscheinlich einer der originellsten und fortschrittlichsten Denker seiner Generation. Und er hat die technische Begabung und den persönlichen Elan, dafür zu sorgen, dass seine Ideen und Träume umgesetzt werden.«
    »Mit der entsprechenden Hilfe von Barton Lambert«, bemerkte Rathbone trocken.
    Fitz-Robert war überrascht. »Ich dachte, Sie kennen ihn nicht!«
    »Nicht besonders gut«, zog Rathbone sich rasch aus der Affäre. »Ich weiß nur, was ich gehört habe. Ein Wort hier oder da - Sie wissen ja, wie so was geht.«
    Fitz-Robert lächelte. »Nun, ich nehme an, die Leute haben in letzter Zeit öfter über ihn geredet. Die Verlobung wurde in der Times bekannt gegeben.«
    Noch bevor er darüber nachgedacht hatte, sagte er: »Vielleicht könnten Sie mich mit den Herrschaften bekannt machen?«
    »Selbstverständlich«, erwiderte Fitz-Robert. »Mit Vergnügen. Trotz all seiner nördlichen Aufdringlichkeit und einer gewissen Neigung, auch dort Kränkungen zu vermuten, wo keine sind, ist er doch ein sehr anständiger Bursche. Durch und durch ehrlich und loyal. Einmal ein Freund, immer ein Freund.
    »Ich möchte nicht stören«, sagte Rathbone und machte einen Schritt nach hinten; er bedauerte seine übereilten Worte bereits.
    »Vielleicht…«
    »Aber ganz im Gegenteil«, erwiderte Fitz-Robert mit weit ausholender Geste. Er legte Rathbone eine Hand auf den Arm.
    »Kommen Sie, ich stelle Sie vor.«
    Rathbone hatte kaum eine andere Wahl, als Fitz-Robert zu folgen, und einige Sekunden später begrüßte er Barton Lambert sowie dessen Frau und Tochter.
    »Guten Tag, Sir«, sagte Lambert mit einem ausgeprägten nördlichen Akzent. Er wirkte offen und freundlich, gab sich aber alle Mühe, sich nicht allzu beeindruckt von Rathbones Titel zu zeigen.
    Delphine Lambert hingegen hatte eine ganz andere Ausstrahlung. Aus der Nähe war zu sehen, dass ihr prachtvoller Schmuck echt und wahrscheinlich mehr wert war, als das, was Rathbone in einem halben Jahr verdiente, obwohl er ein wirklich gutes Auskommen hatte. Und sie war eine bemerkenswert hübsche Frau. Ihre Haut war makellos, und die großen, klaren Augen verrieten Intelligenz.
    »Guten Tag, Sir Oliver«, sagte sie charmant, aber doch merklich reserviert. Rathbone hatte sofort das Gefühl, dass ihr Interesse an ihm, wäre ihre Tochter nicht bereits verlobt gewesen, ein ganz anderes gewesen wäre.
    Zillah war reizend, von einer Natürlichkeit und Spontaneität, die Rathbone sofort gefielen. Außerdem hatte sie keine Scheu, ihr Glück zu zeigen. Das Wissen, dass dieses Glück bald zerstört werden sollte, traf Rathbone tiefer, als er erwartet hatte.
    Sie unterhielten sich über die üblichen Nichtigkeiten, und er konnte sehen, wie stolz ihre Eltern auf sie waren. In den Blicken, die ihr Vater ihr zuwarf, lag unverhohlene Zuneigung. Ihr Schmerz würde sein Schmerz
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