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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung
Autoren: Anne Perry
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können.« Die instinktive Zuneigung, die er sofort für den jungen Mann gefasst hatte, war bereits im Schwinden begriffen. Er hatte wenig für Menschen übrig, die flirteten und Versprechungen machten, die sie nic ht zu halten gedachten. Und genauso wenig mochte er Menschen, die versuchten, ihre gesellschaftliche oder finanzielle Situation zu verbessern, indem sie die Zuneigung einer Frau ausnutzten, deren Stellung ihnen vielleicht zum Vorteil gereichen konnte. Wer so handelte, hatte den Tadel und die Unannehmlichkeiten, die aus einem solchen Verhalten resultierten, durchaus verdient.
    Melville setzte sich, aber seine trostlose Miene machte klar, dass er die Missbilligung in Rathbones Stimme bemerkt hatte und sie nur allzu gut verstand.
    »Ich hatte nie die Absicht, Miss Lambert wehzutun«, begann er unbeholfen. »Ich wollte weder ihren Gefühlen noch ihrem Ruf Schaden zufügen.«
    »Steht denn ihr Ruf infrage?«, bemerkte Rathbone mit ziemlich kühlem Tonfall.
    Melville errötete. »Nein, so ist es nicht, nicht, wie Sie es da andeuten!«, entgegnete er heftig. »Aber wenn ein… wenn ein Mann ein Eheversprechen bricht - oder es zu tun scheint -, dann neigt man in der Gesellschaft dazu, die Moral der betreffenden Dame infrage zu stellen. Die Leute fragen sich, ob er nicht vielleicht etwas über sie erfahren hat, das… das ihn seine Meinung ändern ließ.«
    »Und? Haben Sie etwas Derartiges über die junge Dame erfahren?«, fragte Rathbone. Es wäre zumindest eine Entschuldigung gewesen, sowohl in moralischer Herkunft als auch vor dem Gesetz, sofern es sich beweisen ließ.
    »Nein!« Melvilles Antwort kam ohne jedes Zögern. »So weit ich weiß, ist sie über jede Kritik erhaben.«
    »Ist es dann eine finanzielle Angelegenheit?«, wandte Rathbone sich nun einem anderen Problem zu. Vielleicht brauchte Melville eine Frau mit größerem Vermögen. Andererseits, wenn ihr Vater als Gönner eines Architekten auftreten konnte, dann musste er über einen beträchtlichen Reichtum verfügen. Ein gesellschaftlicher Makel schien ihm eher wahrscheinlich zu sein. Oder vielleicht konnte Melville es auch nicht leisten, ihr den Lebensstil zu bieten, den sie erwartete.
    Melville versteifte sich. »Ganz gewiss nicht!«
    »Sie wären nicht der erste junge Mann, der aus finanziellen Gründen keine Ehe eingehen könnte«, erklärte Rathbone ein wenig freundlicher. Dann lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und unterzog den jungen Mann einer eingehenden Musterung.
    »Das ist keineswegs eine Seltenheit. Haben Sie Mr. Lambert vielleicht in Bezug auf Ihre Zukunftsaussichten in die Irre geführt, und sei es auch ganz ohne Absicht?«
    Melville stieß einen Seufzer aus. »Nein. Nein, ich war ganz offen zu ihm.« Der Anfing eines Lächelns huschte über seine Züge, ein unerwartetes Aufflackern von Humor. »Ich habe Mr. Lambert einen Großteil meines Erfolgs zu verdanken. Er wäre besser in der Lage, meine finanziellen Zukunftsaussichten einzuschätzen, als mein Bankier oder mein Makler es vermöchten.«
    »Gibt es denn ein anderes Ehehindernis in Ihrem Fall, Mr. Melville? Eine Beziehung, die sich in jüngster Zeit entwickelt hat, irgendeinen Grund, warum Sie nicht frei sind zu heiraten?«
    Melvilles Stimme klang sehr leise. »Nein. Ich…« Er wandte den Blick von Rathbone ab und vermied es zum ersten Mal, ihm in die Augen zu sehen. »Ich kann es einfach nicht ertragen! Ich habe Zillah gern… Miss Lambert. Ich betrachte sie als charmante, gute Freundin, aber ich möchte sie nicht heiraten!« Er sah schnell wieder auf, und diesmal wich er Rathbones Blick nicht mehr aus. Eindringlich sprach er weiter. »Es ist einfach ohne mein Zutun geschehen… Ohne dass ich auch nur begriffen hätte, was da vor sich ging. Das mag in Ihren Ohren absurd klingen, aber glauben Sie mir, es ist wahr. Für mich war es einfach eine höchst angenehme Bekanntschaft.« Seine Augen wurden weicher. »Ein beiderseitiges Interesse an Kunst und Musik und anderen Freuden des Geistes, Diskussionen, die Wertschätzung der Schönheit von Natur und Philosophie… Ich - ich habe in ihr eine wunderbare Freundin gefunden… Sanftmütig, bescheiden, intelligent…« Plötzlich nahm sein Gesicht wieder einen verzweifelten Ausdruck an. »Und dann fand ich zu meinem Entsetzen heraus, dass Mrs. Lambert das alles vollkommen missverstanden hat! Sie dachte, es sei eine Liebeserklärung, und bevor ich wusste, wie mir geschah, hatte sie angefangen, Hochzeitsvorbereitungen zu
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