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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung
Autoren: Anne Perry
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ganz und gar verloren. Verdauungsstörungen, heißt es.«
    »Na ja, er ist ja auch Ausländer«, bemerkte die dünnere der beiden Damen und nickte dabei, als sei das eine Erklärung für alles. »Er mag zwar der Gemahl unserer lieben Königin sein, aber - oh, ich wünschte wirklich, sie würde bei Rosa bleiben und nicht im Traum an dieses grelle Fuchsienrot denken. Sie sieht aus, als würde sie jeden Augenblick in Flammen aufgehen. Es heißt, sie wählt niemals ein Kleid aus, ohne vorher seinen Rat einzuholen. Manche Männer sind farbenblind, wie ich gehört habe. Es liegt an diesem deutschen Blut.«
    »Unfug!«, kam die prompte Antwort. »Engländer können genauso farbenblind sein, wenn sie die Wahl haben.«
    Rathbone verbarg ein Lächeln und ging weiter. Diese patriotische Einstellung war nichts Neues; viele Menschen betrachteten den Prinzgemahl, dem dieser offizielle Titel vor drei Jahren, 1857, verliehen worden war, nach wie vor als Ausländer, ungeachtet der Tatsache, dass die Königin sich ihm in allen Dingen fügte und er praktisch der König war, wenn auch nicht dem Namen nach. Er stand allenthalben im Ruf, ein geradezu übertrieben ernsthafter Mensch zu sein, und zeichnete sich durch ein gerütteltes Maß an Aufgeblasenheit aus. Er neigte nicht nur dazu, gute Werke zu tun, sondern hatte sich ihnen derart verschrieben, dass jedwedes Vergnügen bei ihm auf tiefsten Argwohn stieß. Rathbone hatte ihn einmal kennen gelernt und kein Verlangen nach einer erneuten Begegnung.
    Er kam an einer Gruppe hübscher siebzehn oder achtzehnjähriger Mädchen vorbei, die aufgeregt durcheinander plapperten. Ihre Haut glänzte im Licht der ungezählten Kerzen in den Kronleuchtern, und ihre Augen strahlten. Die Anstandsdamen - Mütter oder Tanten - befanden sich nur wenige Schritte von ihnen entfernt, denn ein Ruf war schnell ruiniert.
    Einige junge Männer musterten sie aus der Ferne, wo sie verlegen und scheinbar gleichgültig Posten bezogen hatten.
    Er spürte eine Berührung am Arm und drehte sich um. Ein Mann Mitte vierzig mit einem hageren und humorvollen Gesicht stand vor ihm.
    »Rathbone, wie geht es Ihnen?«, sagte er gut gelaunt. »Ich hätte nie erwartet, Ihnen bei einem solchen Anlass zu begegnen!«
    »Hallo, Fitz-Robert!«, erwiderte Rathbone mit aufrichtiger Freude. »Man hat mich eingeladen, und ich war einer kleinen Abwechslung nicht abgeneigt, ebenso wenig wie einem Glas Champagner und fröhlicher Musik.«
    Fitz-Roberts Lächeln wurde breiter. »Sie haben wohl gerade einen Sieg errungen?«
    »So ist es«, gab Rathbone zu und genoss für einen kurzen Augenblick noch einmal das Gefühl seines Triumphs. »Und wie geht es Ihnen?« Er betrachtete seinen Freund etwas genauer.
    »Sie sehen gut aus.« Es entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber er fand, jetzt sei Takt angebracht.
    »Oh, mir geht es auch gut«, antwortete Fitz-Robert eine Spur zu schnell. »Viel zu tun, Sie wissen schon. Die Politik ist eine anspruchsvolle Mätresse.« Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
    Rathbone bemühte sich, sich an den Namen von Fitz-Roberts Ehefrau zu erinnern, der ihm auch wieder einfiel. »Und wie geht es Mary?«, fügte er hinzu.
    »Danke, bestens.« Fitz-Robert schob die Hände in die Hosentaschen und wandte den Blick ab. Er entdeckte eine Gruppe von Leuten, die einige Schritte entfernt standen. Der Mann war untersetzt, beinahe kahl und hatte ein unauffälliges, aber freundliches Gesicht. Kein noch so geschickter Schneider hätte seine linkische Haltung oder die breiten Schultern verstecken können. Die Frau neben ihm, vermutlich seine Gemahlin, war einen Kopf kleiner als er und ausnehmend hübsch, ja beinahe schön, mit regelmäßigen Zügen, einer langen, geraden Nase und großen Augen. Das Mädchen in ihrer Begleitung trug das in der ersten Saison übliche weiße Kleid, das nur von einem rosafarbenem Saum ein wenig aufgelockert wurde. Die junge Frau war durchschnittlich groß, schlank und besaß wohl das schönste Haar, das Rathbone je gesehen hatte. Es war dicht, von einem gedämpften, ins Goldene spielenden Bronzeton und wunderschön gelockt.
    »Kennen Sie diese Gäste?«, fragte Rathbone neugierig.
    »Nur flüchtig«, antwortete Fitz-Robert. »Er betreibt irgendeine Art Handel und ist damit reich geworden. Aber das macht ihn in der besseren Gesellschaft auch nicht beliebter, obwohl die Leute ihn wegen seines Geldes akzeptieren. Und er hatte den Anstand, die Künste ganz beträchtlich mit einigen zehntausend Pfund zu
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