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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung
Autoren: Anne Perry
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zurückweisen zu können. Jetzt ist es zu spät. Mein Leugnen, all meine Begründungen werden jetzt als Bruch des Ehegelöbnisses angesehen.« Der Blick seiner blaugrünen Augen wurde immer verzweifelter, seine Worte kamen immer hastiger. »Sie haben vergessen, was tatsächlich gesagt wurde, und die Tatsachen ganz anders in Erinnerung, als sie wirklich waren. Ich kann mich nicht hinstellen und argumentieren: ›Sie haben dies gesagt ‹, und: ›Ich habe jenes gesagt.‹« Er riss die rechte Hand hoch. »Es wäre absurd und entwürdigend und würde zu nichts anderem führen als zu Schuldzuweisungen und Kränkungen auf beiden Seiten. Ich versichere Ihnen, Sir Oliver, Mrs. Lambert würde niemals zugeben, dass sie etwas unterstellt hat, was nicht den Tatsachen entsprach, dass ich nämlich ihrer Tochter niemals einen Heiratsantrag gemacht habe, weder direkt noch indirekt. Wie könnte sie etwas Derartiges eingestehen, jetzt, nachdem sie es vor aller Welt verkündet hat?«
    Rathbone begriff, dass so etwas tatsächlich mehr als unwahrscheinlich war.
    »Und Mr. Lambert?«, unternahm er einen letzten Versuch. Melvilles Miene war nur schwer zu deuten, eine Mischung aus Bewunderung und Verzweiflung. Er sank in sich zusammen.
    »Mr. Lambert ist ein ehrlicher Mann, aufrichtig in Wort und Tat , und ein zielstrebiger Geschäftsmann, weshalb er es auch so weit gebracht hat. Aber natürlich liebt er seine Tochter. Außerdem hat er einen wunden Punkt: Er stammt nämlich aus dem nördlichen Teil des Landes, und manchmal bildet er sich ein, die bessere Gesellschaft blickte auf ihn herab, weil er sein Vermögen im Handel gemacht hat… und mit dieser Einschätzung liegt er durchaus richtig.« Er verzog ein wenig schmerzlich das Gesicht. »Das war wohl eine überflüssige Bemerkung. Entschuldigen Sie.«
    Rathbone tat die Sache mit einem Achselzucken ab. »Das heißt, er würde seine Tochter leidenschaftlich vor allem in Schutz nehmen, worin er eine Beleidigung ihrer Person sähe«, schlussfolgerte er.
    »Ja. Und es dürfte kaum eine schlimmere Beleidigung geben als den Bruch eines Eheversprechens.« Die Furcht ließ Melvilles Stimme schärfer klingen. »Er kann es sich nicht leisten, mir zu glauben, dass es niemals ein derartiges Versprechen gegeben hat. Mrs. Lambert ist eine sehr überzeugende Frau…« Er hielt jäh inne.
    »Ich verstehe.« Rathbone verstand in der Tat sehr genau, welcher Natur die Zwangslage seines Gegenübers war. Zudem wuchs auch seine Überzeugung, dass Melville ihm etwas Wesentliches verschwieg. »Haben Sie mir wirklich alle Fakten genannt, Mr. Melville?«
    »Alle, die für diese Angelegenheit relevant sind, ja.« Melville antwortete so prompt, dass Rathbohne keinen Zweifel hatte: Der Mann log. Er hatte diese Frage erwartet und war darauf vorbereitet gewesen.
    »Sie haben nicht vielleicht eine andere Zuneigung gefasst?«
    Er sah Melville eindringlich an und glaubte, eine sanfte Röte in dessen Wangen aufsteigen zu sehen, obwohl sein Blick fest blieb.
    »Ich habe weder das Verlangen noch die Absicht, jemand anderes zu heiraten«, erklärte Melville mit großem Nachdruck.
    »Sie können suchen, wo Sie wollen, Sie werden nichts finden, was darauf schließen ließe, dass ich einer anderen Dame den Hof gemacht hätte, und sei es auch noch so unauffällig. Ich arbeite sehr hart, Sir Oliver. Es gehört zu den schwierigsten Dingen der Welt, sich als Architekt einen Namen zu machen.« In seiner Stimme schwang eine Spur Verbitterung mit und etwas, das nach Stolz klang. Seine klaren Augen leuchteten.
    »Man braucht Zeit und Verhandlungsgeschick, Geduld , Diplomatie und eine Vision: Man muss ganz genau wissen, was einem Bauwerk sowohl Schönheit als auch Funktionalität gibt, damit es über mehrere Generationen hinweg Bestand hat. Andererseits darf es nicht so übertrieben kostspielig sein, dass niemand es sich leisten kann, es zu bauen. Es bedarf einer Vielfalt an Ideen, und man muss alles bis ins kleinste Detail vor sich sehen können. Vielleicht ist es mit dem Gesetz genauso.« Er zog die Augenbraue n hoch und sah Rathbone fragend, ja beinahe herausfordernd an. Zum ersten Mal wurde sich Rathbone des bemerkenswerten Verstandes seines Besuchers bewusst. Er musste in der Tat über außerordentliche Willenskraft verfügen. Sein gegenwärtiges Problem war nicht bezeichnend für seinen Charakter. Unentschlossenheit gehörte gewiss nicht zu seinen hervorstechenden Eigenschaften.
    »Ja«, pflichtete Rathbone ihm kleinlaut bei,
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