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Tödliche Ernte

Tödliche Ernte

Titel: Tödliche Ernte
Autoren: Vicky Stiefel
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noch, dass Chesa und Mrs Cheadle dieses Durcheinander sahen.
    »Hallo!«, rief ich erneut.
    Der Widerhall verklang. Dann hüllte Stille mich ein wie ein Kokon. Es war eisig. Auch mir war eiskalt. Würde man die Heizung aufdrehen, würden vermutlich die Rohre platzen.
    Ich ging zurück ins Foyer und warf einen Blick in die anderen Räumlichkeiten.
    Alle verwüstet.
    Ich rief Kranak vom Handy aus an und sagte ihm, dass das Bestattungsunternehmen von Vandalen heimgesucht worden sei.
    »Mach, dass du da rauskommst«, sagte er. »Der Mistkerl könnte immer noch da sein.«
    »Ist er nicht.«
    »Woher weißt du das, verdammt?«
    »Weil es hell ist. Der Typ ist längst weg. Außerdem fühlt sich’s auch nicht so an.«
    »Gefühle«, sagte er gedehnt. »Mach, dass du rauskommst und …«
    Ich drückte die Aus-Taste.
    Auf der Treppe nach unten ließ ich den Blick über das schweifen, was von McArdles Ausstellungsraum übrig war. Särge und Urnen lagen zerbrochen auf dem Boden und meterweise Stoff lag in irgendetwas Nassem.
    »Mr McArdle?«, rief ich.
    Nichts.
    Als ich den Raum durchquerte, knirschten Glasscherben unter meinen Schuhen. Ich trat in Pfützen aus der Himmel weiß was. Der Geruch war noch schlimmer – ein übler, antiseptischer Gestank.
    Der Eindringling hatte sich sogar das Einbalsamierungszimmer vorgenommen.
    Ernsthaft besorgt um McArdle hastete ich wieder nach oben. War er etwa verletzt? Ich hatte nirgends Blut gesehen. War er ausgeraubt worden? Fraglich. Vielleicht war er jemandem in die Quere gekommen und daraufhin – Volltreffer.
    Ich sah auf die Straße hinaus. Warum brauchte Kranak so lange?
    Ich warf einen Blick auf die Uhr. Mist. Chesa und Mrs Cheadle würden jeden Moment hier sein.
    Ich lief durchs Foyer und untersuchte das Bad genauer, fand aber nichts. Ich lugte in ein anderes Zimmer. Ein zerstörter Videorekorder. Das Gleiche bei einem Fernseher. Blaue und rote Stühle waren aufgeschlitzt worden.
    Ein eisiger Wind drang durch das geborstene Fenster in McArdles Büro. Einzelne Blätter flogen durch die Luft und landeten auf den zerschlagenen Spirituosenflaschen und einem Haufen Porzellanscherben, die auf dem Boden verstreut lagen. Etwas, das aussah wie ein Terminbuch, lag aufgeschlagen neben einem umgeworfenen Sofa.
    Ich ging hin, um es aufzuheben. Der Wind drang herein. Der Geruch ließ mich zurücktaumeln.
    Fäkalien, Urin und eine Andeutung dieser anderen, unbeschreiblichen Süße. Am liebsten wäre ich weggelaufen.
    Oh verdammt. McArdle.
    Jemand hatte die Couch umgeworfen, deren eine Ecke gegen das Fenster geknallt war.
    Zitternd kauerte ich mich auf den Boden und sah vorsichtig dahinter.
    Ein Körper lag eingeklemmt zwischen einer Reihe Kissen. Ich sah ein Paar Penny Loafers und eine behandschuhte Hand. Auf wackeligen Beinen ging ich zum anderen Ende der Couch.
    Die Eingangstür knallte. »Tal?« Es war Kranak.
    »Hier drin!«, rief ich. »Verflucht, beeil dich!«
    Meine Hände zitterten, als ich meine Taschenlampe anmachte und in das Gesicht leuchtete.
    Chesa? Nein. Himmel.
    Die Zunge quoll ihr aus dem Mund. Ihre schönen Augen drangen aus den Höhlen. Eine erstarrte Hand hielt den Kragen umklammert, als hätte sie versucht, etwas um ihren Hals zu lockern.
    Augen und Nasenlöcher waren blutverkrustet, ihre Lippen wirkten wie mit Blut geschminkt.
    Ich zog ihren Kopf in meinen Schoß und schluchzte. Ich wünschte mir verzweifelt, sie im Arm zu halten.

3
    Ich saß zitternd auf einem Klappstuhl in der Garderobe von McArdle, der einzige Ort, an dem es nicht von Cops und Rechtsmedizinern und den Leuten des Leichenbeschauers wimmelte. Die Bostoner Polizei kümmerte sich jetzt offiziell um den Fall.
    Wo war McArdle? Wer auch immer Chesa umgebracht hatte, musste ihn in die Flucht geschlagen haben. Oder vielleicht hatte McArdle Chesa umgebracht. Oder vielleicht war er selbst tot. Himmel, ich hoffte nicht.
    Ich legte den Kopf in die Hände. Ich wollte, dass Chesa lebte.
    Was war hier vorgefallen? Warum war Chesa zurück zu dem Bestattungsunternehmer gegangen?
    Hätte ich darauf bestanden, dass sie über Nacht blieb, wäre jetzt alles anders. Und wenn ich sie zu ihrem Hotel gebracht hätte, wäre sie noch am Leben. Wenn ich … Ich schnäuzte mich.
    Sie war geschlagen worden. Ich versuchte, nicht an ihre Schmerzen zu denken. Oder ihre Angst. Diese grausame Angst. Chesa war nicht feige. Der Kerl musste eine Pistole gehabt haben. Irgendetwas. Vielleicht hatte er sie erschossen.
    Nein. Zunge und Augen
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