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Tödliche Ernte

Tödliche Ernte

Titel: Tödliche Ernte
Autoren: Vicky Stiefel
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gestern erfahren.«
    Im Raum machte sich Überraschung breit.
    »Das tut mir leid«, sagte ich. »Ihr Kummer ist noch ganz frisch. Möchten Sie nicht lieber unter vier Augen mit Gert sprechen?«
    »Ich will Sie.« Ihre braunen Augen glitzerten vor Wut und Schmerz. Und sie verbargen ein Geheimnis.
    »Gerne«, sagte ich. »Sobald wir hier fertig sind.«
    Blessing drehte seine Münze. »Sind Sie mit dieser Tussi jetzt durch?«
    »Tussi?«, wiederholte Miss Jones.
    »Sie haben mich schon verstanden.«
    »Roland«, sagte ich und bedeutete Miss Jones, sich zu setzen. »Lassen Sie’s gut sein.«
    »Sorry«, nuschelte er. »Das ist wegen der verdammten Bullen. Die haben nicht einen Finger gerührt, um die Schlampe zu verhören, die meine Kleine auf dem Gewissen hat.«
    »Das ist hart«, sagte Mary in ihrem singenden Tonfall. »Ich weiß das. Aber in unserer Gruppe geht es darum, nach vorne zu blicken.«
    »Meine Moira, die …«, entgegnete Blessing. »Vergessen Sie’s.«
    »Sie wissen, dass wir es hören wollen«, sagte ich. »Wir fühlen mit Ihnen, Roland.«
    »Vergessen Sie’s!«, rief er.
    Christy verdrehte die Augen. Arlo versuchte, ein Lachen zu unterdrücken. Witze machen und lachen – das war Arlos Art, mit dem Tod seines Kindes umzugehen.
    »Reden Sie mit uns, Arlo«, forderte ich ihn auf.
    »Wir hatten ihn.« Er gluckste kopfschüttelnd. »Ich hab im Gerichtssaal gesessen und zugesehen, wie der Widerling überführt wird. Innerlich hab ich gejubelt, ehrlich gesagt. Und dann haben sie die Beweisführung vermasselt. Wir hatten ihn fast. Waren kurz davor, verstehen Sie? Und wer weiß, was jetzt kommt? Er hat das Gericht mit einem fetten Grinsen verlassen und seinem Anwalt gegenüber die Daumen hochgehalten. Der gute alte Mr Jolly. Am liebsten würde ich …«
    »Ich rede mit Kranak, Arlo«, erwiderte ich. »Um seine Einschätzung zu hören.«
    »Danke. Aber diesmal können Sie nichts machen, Tally. Diesmal nicht.«
    Nein, konnte ich nicht. Es hagelte Ideen und Vorschläge, Sympathie und Mitgefühl, und dann gingen wir über zu Christy, die auch ein Jahr nach der Ermordung ihres Vaters noch davon besessen war, das längst verschwundene Blut im Wohnzimmer vom Boden zu wischen.
    »Ich kann nicht aufhören.« Christy verdrehte die Augen und streckte die Zunge heraus – ihre übliche Grimasse. Die anderen lachten. Und sie auch.
    »Ich sehe irgendeinen Fleck«, fuhr sie fort. »Ein bisschen Schmutz oder auch nur einen Schatten, und schon mache ich mich mit Desinfektionsmittel und Bürste darüber her.«
    »Und wenn Sie einen neuen Teppich auslegen?«, erkundigte Mary sich. »Wie wir es vor zwei Wochen besprochen haben?«
    »Hab … hab ich ja«, gestand Christy. »Aber gestern hab ich ihn wieder rausgerissen. Vielleicht hätte ich nicht gerade Rot nehmen sollen, was?«
    Alle lachten.
    Blessing sprang auf. »Was seid ihr doch für Idioten! Wie könnt ihr euch nur in so einen Schwachsinn reinsteigern, obwohl Leute ermordet wurden, die ihr geliebt habt?«
    »Weil wir das alle durchgemacht haben«, erwiderte Mary mit traurigem, wissendem Blick.
    Blessing lachte verächtlich. »Ja, klar. Und Sie werden damit fertig, indem Sie sich so mit Make-up zukleistern, dass es auch für ein Schwein reichen würde? Nie im Leben haben Sie durchgemacht, was ich durchgemacht habe.«
    »Warum greifen Sie Mary an, Roland?«, fragte ich. »Jeder hier empfindet diesen Schmerz.«
    »Von wegen.« Blessing grinste. Es war kein schöner Anblick. »Meine Kleine war Flötistin. Hatte echt was drauf, hat’s zumindest immer geheißen. Und dann hat so ein lesbisches Mannweib sie umgebracht und sie nach ihrem Tod mit ihrer eigenen Flöte vergewaltigt. Und dann hat die Schlampe die Hände meiner Kleinen abgehackt, als so ’ne Art Trophäe, und den Körper dann im Stadtpark in den Froschteich geworfen. Meine Güte, für wen haltet ihr euch eigentlich?« Dann murmelte er noch was von »Waschlappen«.
    Zum Teufel mit ihm. Ich wollte aufstehen.
    »Schon gut, Tally.« Mary wandte sich an Blessing. »Ich habe lange gebraucht, um die Tatsache zu akzeptieren, dass der Mörder meiner Mutter davongekommen ist. Die Zeitungen haben sie vergessen. Und unser Rechtssystem auch. Die Polizei hat den Fall längst zu den Akten gelegt. Und wissen Sie was? Das macht mich innerlich ganz krank.«
    »Dann tun Sie was dagegen«, erwiderte er.
    Mary rang die Hände im Schoß, was zeigte, wie aufgewühlt sie war. »Eigentlich zählt doch nur, dass Mom tot ist. Sie wird nie
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