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Tödliche Ernte

Tödliche Ernte

Titel: Tödliche Ernte
Autoren: Vicky Stiefel
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behandelt, in der Hoffnung, dass sie durchkommt.«
    »Wie traurig.« Ich reichte ihm meine Karte. »Entschuldigen Sie meine Neugier.«
    »Keine Ursache.« Um meine Karte zu lesen, musste er sie sich dicht vor die Nase halten. »Ah, von der Rechtsmedizin.«
    »Würden Sie mir den Namen ihres behandelnden Arztes geben?«
    »Sicher doch. Wäre es Ihnen recht, wenn ich ihn nach der Rückkehr meines Assistenten hole? Er macht gerade Besorgungen, und ich muss noch eine andere Trauerfeier vorbereiten.«
    »Natürlich. Chesa hat erwähnt, dass sie die Bestattungskosten für Della übernehmen will.«
    Er rieb sich die Stirn, als hätte er starke Schmerzen. »Das wäre wahrlich hilfreich.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Manchmal stelle ich meine Dienste umsonst zur Verfügung.« Er schüttelte den Kopf. »Meine Mutter ist Gott weiß wo in einem Armengrab verscharrt worden, anonym und ohne Trauergäste. Meine Hilfe Bedürftigen gegenüber geschieht ihr zu Ehren.«
    »Warum hat man Chesa eigentlich nicht über den Tod ihrer Schwester informiert?«
    »Ich weiß nicht. Ich fand das auch komisch. Vielleicht kann Miss Dellas Arzt Ihnen weiterhelfen.«
    Chesa kam zurück, und wir vereinbarten eine Uhrzeit für Trauerfeier und Beerdigung, die am nächsten Tag stattfinden sollten.
    Auf unserem Weg nach draußen gab McArdle mir den Namen des zuständigen Arztes aus dem Massachusetts General Hospital: ein gewisser Dr. Christopher Rutledge.
    Als wir zurück im Kummerladen waren, blieb Chesa in der Lobby, während ich versuchte, Dr. Rutledge zu erreichen. Schließlich sprach ich ihm auf den Anrufbeantworter. Auch bei Roland Blessing sprach ich aufs Band. Der Kerl bereitete mir mehr Sorgen als der übliche Hinterbliebene.
    Chesa und ich kauften uns auf dem Weg zu mir etwas italienisches Brot und Salat und kochten uns Spaghetti Carbonara, eines der sieben Gerichte, die ich beherrsche, und obendrein ein Lieblingsessen von Penny.
    Ich lebe in Bostons South End, im Erdgeschoss eines viktorianischen Hauses mit Erker. Besitzer ist Jake Beal, ein erfolgreicher Bildhauer, der über mir wohnt.
    Das Schlafzimmer mit dem Erkerfenster zeigt zur Straße. Die Küche teilt die Wohnung, und das Wohnzimmer mit den bodentiefen Fenstern hat einen Ausblick auf einen winzigen, eingezäunten Hof und Dartmouth Place, eine der hübschesten Sackgassen von Boston.
    Nachdem Chesa und ich mit dem Essen fertig waren, saßen wir mit ausgestreckten Beinen vor dem Kamin und nippten jede an einem Glas Cabernet.
    Wir redeten über Vergangenheit und Gegenwart, und sie vermied sorgfältig jede Anspielung auf Della.
    Wir hatten uns kennengelernt, als ich dreizehn und sie elf war.
    Sie nahm an einem Förderprogramm für Schwarze teil und kam jeden Tag mit dem Bus aus Roxbury. Ich kam aus einem Arbeiterviertel in East Lexington, bezweifle allerdings, dass es in diesem zunehmend wohlhabenden Vorort noch existiert.
    Trotz des Altersunterschiedes waren wir Freundinnen geworden. Wir gingen zum Bowling, liefen Rollschuh oder sahen uns nach der Schule Filme im Kino an. Zwei Jahre lang gab ich die große Schwester – obwohl sie das natürlich nicht so sah. Sie pflegte zu mir nach Hause zu kommen und war verrückt nach meinem Dad, aber sie weigerte sich immer, mir zu erzählen, wo in Roxbury sie wohnte oder wie sich ihr Leben dort abspielte. Für ein Kind war sie sehr beherrscht.
    Eines Sommertages, die Straßen flirrten vor Hitze, folgte ich ihr heimlich nach Hause. Sie ertappte mich und warf sich vor Lachen fast weg. Im Sommer darauf war sie genauso plötzlich aus meinem Leben verschwunden, wie sie aufgetaucht war.
    In all den Jahren danach hatte ich sie nicht wiedergesehen. Und doch kam sie mir noch immer so lebendig und wahrhaftig vor wie damals.
    »Ganz schön seltsamer Beruf, den du da hast«, sagte sie.
    »Ich bin auch Psychologin«, scherzte ich. »Das andere hat sich so ergeben.«
    Sie blickte sich in der Wohnung um. »Kein Kerl?«
    Ich hatte mich in warmen Farben und mit weich gepolsterten Möbeln eingerichtet, ganz zu schweigen von den zahlreichen Hundehaaren. Da waren Muscheln und Steine zu sehen, abgefahrene Gemälde von Häusern und auch einige von mir handkolorierte Fotos.
    »Ist das so eindeutig? Ich bin geschieden. Die Ehe war nicht so mein Ding.«
    »Ich bin an einen Typen geraten, als ich in der Basketball-Profiliga gespielt habe. Und als ich nach einer Knieverletzung nicht mehr spielen konnte, wollte er tatsächlich, dass ich für ihn das schwarze Hausmütterchen gebe
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