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Tödliche Ernte

Tödliche Ernte

Titel: Tödliche Ernte
Autoren: Vicky Stiefel
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hat.«
    Ich rieb an meiner Tasse herum. Die Nerven. »Wir haben gestern Abend zusammen gegessen. Wie in alten Zeiten.«
    Er nahm meine Hand. »Blessing wird gerade verhaftet. Wir haben eine ganze Menge deutlicher Fingerabdrücke gefunden. Mal sehen, ob Blessings dabei sind.«
    »Du hättest mich nicht überreden sollen, den Tatort zu verlassen.«
    »Die Cops kommen auch ohne deine Hilfe klar.«
    Ich hielt Kranaks Blick stand. »Ich muss Dellas Leiche finden. Damit sie anständig unter die Erde kommt. Ich kann nicht fassen, dass McArdle mit ihr weggefahren ist.« Die Tränen, gegen die ich den ganzen Vormittag angekämpft hatte, begannen zu fließen.
    »Verflucht. Es ergibt doch überhaupt keinen Sinn, dass Blessing Chesa umbringt.«
    »Für mich schon. Er ist ein durchgeknallter Irrer.«
    »Wenn ich gestern in der Gruppe anders mit ihm umgegangen wäre … Stimmt, sie haben sich in die Wolle gekriegt. Aber das hat ihm gutgetan, verstehst du? Seine Wut rauszulassen. Er ist ein seltsamer Kerl, aber nie würde er in seiner Wut Gewalt gegen andere anwenden. Selbstmord? Das könnte ich mir schon eher vorstellen.«
    »Hier dreht sich alles um Schuld, Kleines«, sagte er. »Du kannst die Welt nicht retten.«
    »Und warum nicht, zum Teufel?« Ich lachte leise, als die Tränen erneut aufstiegen.
    Er zog etwas aus der Tasche und öffnete die Hand. Ein goldener Sacagawea-Dollar lag darin. »Sagt dir das was?«
    Mein Herz setzte aus, dann durchschaute ich ihn. »Den hast du nicht bei dem Bestatter gefunden. Du hast keine Handschuhe an, und du würdest nicht einfach ein Beweisstück behalten.«
    »Du bist einfach zu clever für mich, Tally. Die Bostoner Polizei hat genau so einen in McArdles Büro auf dem Boden gefunden. Sieh’s endlich ein: Blessing ist durchgedreht, weil jemand seine Kleine um die Ecke gebracht hat. Und obendrein ist er ein Spinner. Er hat’s getan, Tally.« Grimmig runzelte er die Stirn.
    Ich seufzte. »Ich werde mal ihre Freundin aufsuchen, diese Mrs Cheadle. Sie sollte das mit Chesa wissen.«
    »Willst du ihr auch von der verschwundenen Leiche erzählen?«
    »Eher nicht.«
    »Zumindest nicht, bis wir diese Della aus dem Fluss gefischt haben.«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Wenn McArdle kapiert, dass sein Unternehmen futsch ist, hat er eine Leiche, aber keinen Ort, wo er sie hinbringen kann. Was also macht der Widerling dann wohl?«
    »Manchmal bist du einfach nur grob, verdammt.« Ich setzte meinen zerknautschten Hut auf und stürmte nach draußen.
    Der Schneefall setzte aus, als ich über den Fluss und durch Cambridge fuhr. Sobald ich in Somerville war, fand ich auch das dreistöckige Holzgebäude, in dem Mrs Cheadle ihre Wohnung hatte. Ich hatte vorher angerufen und wurde erwartet.
    Ich zwängte mich mit dem Wagoneer in eine Parklücke. Die Gerüche aus einem Fischrestaurant mischten sich mit dem Holz- und Lavendelduft aus einer abgefahrenen Parfümerie auf der anderen Straßenseite.
    Hier und da standen gelbe Blumenkästen vor den Fenstern und warteten auf die Frühlingsblumen. Bei ihrem Anblick hätte ich am liebsten geweint. Chesa würde den Frühling nicht mehr erleben.
    Ich klingelte bei Mrs Cheadle, und mit einem Summen öffnete sich die Haustür.
    Dahinter tauchte in der linken Wohnungstür ein Kopf mit einer roten Baskenmütze auf und bedeutete mir einzutreten. Ein breites Lächeln lag auf dem alten Gesicht. Ich ging den Flur entlang und wiederholte in Gedanken, wie ich die Nachricht von Chesa Jones Tod überbringen wollte.
    Wir nahmen in Mrs Cheadles Wohnzimmer Platz. Mein Ohrensessel stand dem Sofa gegenüber, auf dem die alte Frau Hof hielt, umgeben von Katzen jeder Form und Farbe.
    Ich hatte von Chesa erfahren, dass Mrs Cheadle in jungen Jahren als Stripperin und Tänzerin im Old Howard Varieté am Scollay Square gearbeitet hatte. Obwohl sie Afro-Amerikanerin war, hatte sie sehr helle Haut, was erklärte, wie sie in den Shows, die für schwarze Künstler verboten waren, als Weiße hatte durchgehen können.
    Sie musste Ende siebzig oder Anfang achtzig sein, und ihr zierlicher Körper war durch einen Buckel gekrümmt. Falten überzogen ihr herzförmiges Gesicht, und ihre Lippen waren rot bemalt, passend zu der Baskenmütze, die frech auf ihrem Kopf saß. Ihr schwarzes Kleid war voller Katzenhaare.
    Als ich ihr von Chesa erzählt hatte, wiegte sie sich weinend vor und zurück.
    Ich reichte ihr ein paar Taschentücher. »Mrs Cheadle?«
    »Es geht schon. Es geht. Was ist denn passiert?«
    Ich
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