Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliche Ernte

Tödliche Ernte

Titel: Tödliche Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicky Stiefel
Vom Netzwerk:
Blut strömt ihm über Gesicht und Hände und … Er versucht, die Treppenstufen zu unserer Haustür hochzukriechen. Daddy!
    Ich wiegte mich vor und zurück. Das alles fühlte sich nicht so an, als wäre es zwanzig Jahre her. Mehr so wie gestern.
    Ich ging zur Toilette und fuhr mir mit einem feuchten Tuch übers Gesicht. Ich sah zum Kotzen aus.
    Einige Minuten später wurde ich in die Lobby gerufen. Ein Mädchen – entweder war sie gesprungen oder gestoßen worden – war vor ein paar Stunden bei uns eingetroffen. Jetzt erwarteten mich ihre Angehörigen.
    Ich stellte mich vor, und wir nahmen den traurigen Tag in Angriff. Nach zwei endlosen Stunden schleppte ich mich aus dem Kummerladen.
    Mit hängenden Schultern überquerte ich den Parkplatz, Penny an meiner Seite. Es war regnerisch und windig, und die Eisenkette der Umzäunung klapperte, wie immer bei schlechtem Wetter. Ganz hinten auf dem Parkplatz entdeckte ich einen Mann. Er zündete sich eine Zigarette an und verharrte im Schatten eines Range Rovers. Etwas blitzte auf … vielleicht eine Goldmünze, die er in die Luft warf … oder der Lauf einer Pistole.
    Als ich die Augen mit der Hand abschirmte, nickte er mir zu. Sein Kopf bewegte sich nach rechts und links, als hielte er nach jemandem Ausschau, dann machte er einen Schritt – in meine Richtung. Ich wich hinter den Jeep zurück.
    »Tally!« Mary kam aus der Tür, und der Regen prasselte auf ihren unbedeckten Kopf.
    »Ist was?«, rief ich über das Rauschen des Regens hinweg.
    »Entschuldige«, sagte Mary. »Ich dachte, ich hätte meine Hausschlüssel verloren, aber ich habe sie.«
    Als ich wieder aufsah, grüßte mich der Mann und verschmolz dann mit dem Schatten zwischen zwei Laternen.
    Vor Schreck fuhr ich auf dem Heimweg viel zu schnell. Der Regen war zu Eisregen geworden, und die Stufen vor dem Haus waren rutschig. Mit finsterem Blick riss Jake die Haustür auf. Das entstellte seine allzu perfekte Visage, wodurch sie fast interessant wurde.
    »Was ist los?« Ich angelte meine Post vom Tisch.
    »Du hast kein Salz gestreut, als du heute weg bist«, sagte er. »Schon wieder nicht.«
    »Entschuldige. Ich wollte ja. Aber du tust doch jetzt nur so, weil du den Lichtschalter bei mir im Schlafzimmer nicht repariert hast. Stimmt’s?«
    Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, was bedeutete, dass er es tatsächlich nicht getan hatte, und kniete nieder, um sich von Penny das Gesicht ablecken zu lassen. Wie geschmacklos von ihr.
    »Du müffelst nach Tod«, sagte er auf seine wortkarge, ruhige Art.
    »Und du müffelst einfach nur«, entgegnete ich.
    Er lachte in sich hinein, dann verschränkte er die Arme. »Falls du Probleme beim Einschlafen hast: Ich bin bis spät auf.«
    Jake konnte feinfühlig sein. Wenn er in der Stimmung dafür war.
    »Jake- ie«, ertönte eine heisere Stimme von oben. »Kommst du wieder hoch? Mir ist kalt.«
    Auch unsere Heizung war mies.
    Jake entblößte zwei Reihen weißer Zähne. »Schon unterwegs«, brüllte er nach oben.
    »Darf die überhaupt schon wählen?«, fragte ich.
    Als ich den schmalen Gang zu meiner Wohnung entlangging, lief er trampelnd wieder nach oben. Wie gut, dass ich kein Auge auf meinen Vermieter geworfen hatte.
    Während ich eine Konservensuppe in mich hineinschlang, ging ich die Post durch: Kataloge, Stromrechnung, eine visa -Werbung und noch mehr Müll. Nichts von der Polizei in Winsworth in Maine. Ich wartete schon seit endlosen Zeiten darauf, eine Antwort auf meinen Brief bezüglich meines Vaters zu erhalten.
    Mary hatte heute einen interessanten Punkt angesprochen: Bestand die Möglichkeit, dass Blessing sein eigenes Kind umgebracht hatte? Ich hatte mir diese Frage bereits selbst gestellt und sie verworfen. Vielleicht sollte ich noch einmal darüber nachdenken.
    Ich legte mir Farben, Watte und mit Watte umwickelte Zahnstocher bereit, um Schwarz-Weiß-Fotos zu kolorieren. Gar zu gern hätte ich ein Foto von Chesa gehabt. Stattdessen wählte ich eines mit einem prächtigen Ahorn. Ich stellte ihn mir in einem Rausch aus Rot und Gelb vor, und der Stamm sollte aufgrund eines vorangegangenen Sturms dunkelbraun und nass sein. Den Himmel würde ich surreal gestalten, wozu ich Farbschattierungen von Violett über Rosa zu Grün nehmen wollte.
    Aber dann wurde er ganz dunkel und düster und sorgenverhangen. Das war nicht Chesa.
    Ich warf das Foto in den Mülleimer und kletterte dann erschöpft und voller Farbflecken ins Bett. Ich fragte mich, was Blessing wohl tat, was er

Weitere Kostenlose Bücher