Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliche Ernte

Tödliche Ernte

Titel: Tödliche Ernte
Autoren: Vicky Stiefel
Vom Netzwerk:
deuteten darauf hin, dass sie erwürgt worden war.
    Ach, Chesa.
    Jetzt brachten sie Chesa nach draußen. Ihr langer, schmaler Körper lag in einem weißen Leichensack mit Reißverschluss. Die Jungs mieden meinen Blick. Sie wussten, dass es sich um eine Freundin von mir handelte.
    »He, Tally!«, erklang eine Stimme von der anderen Seite des Foyers. »Kannst du mal kommen?«
    Ich versuchte, die Erinnerung abzuschütteln, so wie Penny sich das Wasser aus dem Fell schüttelte. »Schon unterwegs.« Ich stemmte mich hoch und ging zum Aufbahrungsraum. »Was ist denn?«
    Joe, einer der Techniker von der Rechtsmedizin, winkte mich zu sich. »Wir haben hier was Seltsames. Hattest du nicht gesagt, ihre Schwester läge da drin?« Joe deutete auf den Sarg. Jemand hatte den Deckel abgehoben.
    Der Sarg war leer.
    Ich stand draußen auf dem Bordstein neben einem dreckigen Schneehaufen und schnappte nach Luft, die in weißen Wolken wieder austrat. Wo zum Teufel steckte Dellas Leiche? Als Joe mir den leeren Sarg gezeigt hatte, war ich total ausgerastet. Ich musste da raus.
    Ein Kichern. Ein Jugendlicher mit einem roten Kopftuch stand da und starrte mich an. Er hatte ein Glitzern in den Augen – schwer zu beschreiben –, aber er wusste etwas.
    »Hey.« Ich ging auf ihn zu, und er lehnte sich gegen einen Laternenpfahl, als wartete er auf mich. Er zündete sich eine Zigarette an und sah mir entgegen.
    Dann richtete er sich plötzlich auf und sah mit zusammengekniffenen Augen verängstigt an mir vorbei. Ein Schatten fiel über meine Schulter.
    Kranak.
    Als ich mich wieder umdrehte, hatte der Bengel die Beine in die Hand genommen, und das Weiß seiner Nikes verwischte beim Rennen.
    »Warte!« Ich rannte hinter ihm her. Die kalte Luft schmerzte in der Kehle, und das Pfeifen meines Atmens rauschte in den Ohren.
    Der Junge vergrößerte den Abstand. Ich bewegte Arme und Beine schneller und machte größere Schritte. Er schlug einen Haken nach rechts und sprintete einen vereisten Hügel hinauf.
    Er überquerte die Straße und erreichte mit voller Geschwindigkeit ein mit Sträuchern bestandenes Grundstück.
    Er würde mich abhängen.
    »Scheiße!«, fluchte Kranak und zog schneller an mir vorbei, als ich es für möglich gehalten hätte.
    Der Junge sah über die Schulter, ein Fehler.
    In diesem Moment machte Kranak einen Satz durch die Luft. Die Hände des Burschen flogen in einer beschützenden Geste hoch, als Kranak ihn in einem Wirrwarr aus Armen, Beinen und Flüchen auf den gefrorenen Boden riss.
    »Er weiß etwas!« Ich reichte Kranak die Hand zum Aufstehen.
    »Ja. Kann sein.« Er atmete stoßweise.
    »Krieg bloß keinen Herzanfall«, sagte ich.
    »Himmel, Tally, besten Dank. Ich versuch’s.« Er zog ein Taschentuch aus der Hosentasche und wischte sich die Blutspritzer von dem Kratzer an seiner Wange ab.
    Der Junge setzte sich auf und schlang die Arme um die Knie. Auch ihm streckte ich die Hand hin.
    Er spuckte darauf.
    Kranaks Blick zu mir sprach Bände. »Beherrsch dich«, sagte er zu dem Jungen. »Ich schleif deinen Arsch aufs Revier. Name?«
    Der Bursche massierte sich die Schulter. »Julius Binny.«
    »Und weshalb bist du vor der netten Lady hier weggerannt?«
    »Fick dich«, sagte der Junge.
    »Nicht mein Ding«, entgegnete Kranak. »Du kennst doch das Klischee. Wir können uns hier unterhalten oder dort, wo es wärmer ist, in einer Zelle zum Beispiel. Deine Entscheidung.«
    Der Junge stand auf. »Gehen euch Typen diese immer gleichen Sprüche nicht selber auf den Keks?« Er sprach mit schwach karibischem Akzent.
    »Du weißt, was bei McArdle vorgefallen ist«, sagte ich.
    Binny schob das rote Kopftuch zurecht, zog die Hose hoch und stopfte die Hände in deren Taschen. »Was springt dabei für mich raus?«
    Kranak verdrehte die Augen. »Du hast recht. Das dauert ganz schön lange. Die gleichen Sprüche, die gleichen Antworten.« Er griff in Binnys Tasche und hielt dann ein Plastiktütchen mit weißem Pulver hoch. »Ja, was haben wir denn da.«
    Der Bursche erstarrte. »He, Mann. Das ist nicht von mir!«
    »Ach nein? Aber die Dame hier hat gesehen, wie ich es gerade aus deiner Tasche gezogen habe.«
    »Stimmt nicht. Verpiss dich.«
    »Ich friere mir den Hintern ab, Tally. Komm. Wir bringen unseren Kopftuchträger dahin, wo’s warm ist.« Kranak griff nach dem Jungen.
    Binny hielt abwehrend die Hände hoch. »Schon gut, Mann. Ich weiß bloß was, weil ich Mr McArdle spät letzte Nacht geholfen hab, eine Leiche in den Leichenwagen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher