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Amputiert

Amputiert

Titel: Amputiert
Autoren: Gord Rollo
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Prolog
    Der Grund
    Drummond Brothers Rock and Bowl,
    North Tonawanda, New York
    Das Drummonds war mal ein tolles Lokal, eine altmodische, familiengeführte Bowlingbahn, allerdings leidet es in letzter Zeit an einer Identitätskrise. Die gemütlichen Holztische und -stühle sind durch hässliche, schwarze Plastikhocker mit glänzenden Chrombeinen ersetzt worden; das sanfte Neonlicht an der Decke durch in den Augen brennende violette und rote Spots; die beruhigende Hintergrundmusik durch basslastigen, trommelfellerschütternden, harten alternativen Rock. Früher kamen die Leute mit der Familie und Freunden, um zu bowlen, nüchtern Spaß zu haben und das beste Cream Soda im westlichen New York zu genießen. Jetzt kommt halbstarke Kundschaft, um sich zu besaufen, sich zu prügeln, mit den Bowlingkugeln nach den Köpfen ihrer Kumpel zu werfen und die grauenhaft laute Musik mit gebrüllten Obszönitäten und Aufrisssprüchen zu übertönen.
    Wäre der alte Mr. Drummond noch am Leben und könnte sehen, was seine Söhne aus dem Familienbetrieb gemacht haben, würde er das Lokal niederbrennen – mit seinen Taugenichtsen von Söhnen darin. Aber trotz seiner Geschmacklosigkeit und der völligen Verachtung seiner bescheidenen Anfänge scheffelte das Rock and Bowl Geld – dem hätte sogar der alte Mann nichts entgegensetzen können.
    Donnerstagabend. Großer Andrang.
    Zwei Männer, etwas älter als die übliche Kundschaft Anfang zwanzig, sitzen am Ende der Bar. Drei weitere Freunde, die hinter ihnen stehen, jubeln ausgelassen, als die beiden Sitzenden die kalten Krüge an die Lippen heben und zu trinken beginnen.
    An der Wand hinter der Bar klingelt das Telefon – zweimal, dreimal. Es ist unter dem hypnotischen Beat von Rob Zombies Living Dead Girl , der aus den Lautsprechern an der Decke dröhnt, kaum zu hören. Schließlich stapft der übergewichtige Barkeeper hinüber, hebt ab, legt die freie Hand um den Hörer, um zu verstehen, was der Anrufer will. Alle Farbe weicht aus seinem Gesicht, als er sich langsam umdreht und einen der Biertrinker anstarrt.
    Er legt das Telefon auf den Tresen, nähert sich der Gruppe der fünf Männer, die scherzen und darüber diskutieren, wer den Trinkwettbewerb gewonnen hat, und beugt sich über die Bar, um sie zu unterbrechen.
    »Die Polizei ist dran«, sagt er zu dem dünnen Betrunkenen, der rechts sitzt. »Man sucht nach dir. Du solltest besser rangehen.«
    Der Mann wirkt besorgt, aber er versucht, sich vor seinen Freunden gelassen zu geben. Er steht auf, stolpert beinah über den Hocker und bahnt sich wankend den Weg zum anderen Ende der Bar, wo diese offen ist, sodass er auf die andere Seite kann, um das Telefon zu ergreifen. Angst hat ihn an den kurzen Haaren gepackt, doch er weiß nicht, warum. Einen Augenblick lang erfasst ihn ein Schwindelgefühl, und der laute Raum beginnt, sich zu drehen. Er stützt sich am Tresen ab und schließt fest die Augen, bis das Übelkeit erregende Empfinden vergeht. Dann das Telefon ...
    »Hallo?«
    »Michael Fox?« Eine nüchterne Stimme mit irischem Akzent.
    »Ja. Wer spricht?«
    Der alkoholisierte Mann lauscht einige Minuten lang, schwankt, droht, jeden Moment zu stürzen. Aber er bleibt aufrecht; stattdessen fällt das Telefon zu Boden, bereits vergessen, als der Mann schreiend zum Ausgang stürmt. Draußen regnet es heftig. Er hat deutlich zu viel getrunken, um zu rennen, was ihn jedoch nicht davon abhält, es zu versuchen. Die Worte des Polizeibeamten suchen ihn heim, treiben ihn an.
    »Es tut mir leid, Mr. Fox, aber es hat einen Unfall gegeben ...«

TEIL EINS
    Die Brücke

Kapitel 1
    Ich schlief mitten am Nachmittag in der Gosse, und der Betonbordstein gab kein besonders bequemes Kissen ab. Ich erinnere mich nicht daran, wie ich aufwachte, aber ich weiß, dass ich mehrere Minuten in den Klauen des Drachen liegen blieb und zitterte, als hätte ich Parkinson, während ich darauf wartete, dass die Schmerzen in meinen Knochen verschwanden, bevor ich auch nur versuchte, die Augen zu öffnen. Als ich es tat, war es ein Fehler; das Sonnenlicht bohrte sich mir in den Kopf, steckte mein von Drogen benebeltes Gehirn in Brand. Mein Schädel fühlte sich an, als würde er jeden Moment platzen. Ein Teil von mir wünschte, er täte es.
    Warum, zum Henker, tue ich mir das immer wieder an? Wieso bin ich so schwach? So dumm?
    Gute Fragen. Allerdings nicht einfach zu beantworten. Jeder in der Straße hat seinen eigenen Drachen, seinen persönlichen Dämon, der ihn
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