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Todesstatte

Titel: Todesstatte
Autoren: Booth Stephen
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das der Moment gewesen, als er seine Fantasie ausgelebt hatte, den Mann, den er hasste, zu töten.
    Â»Hast du gewusst, dass Vernon Slack bei Professor Robertson studiert hat?«, sagte Fry. »Anscheinend war er der beste Student des Professors.«
    Â»Dann war er also gar nicht so dumm, wie es schien.«
    Cooper hielt inne und ließ sich diesen Satz noch einmal durch den Kopf gehen. Er schien von leiser, undefinierbarer Musik begleitet zu werden.
    Â»Ist das nicht eine Zeile aus einem Lied?«
    Â»Verdammt, da hast du recht«, erwiderte Fry. »Aber von welchem?«
    Â»Ich kann mich nicht mehr erinnern. Aber es fällt mir später bestimmt wieder ein, wenn ich nicht mehr darüber nachdenke.«
    Â»Hoffentlich, sonst kriege ich es den ganzen Tag lang nicht mehr aus dem Kopf.«
    Cooper stand mit einiger Mühe auf und versuchte dabei, sich seine Schmerzen nicht allzu sehr anmerken zu lassen. »Weißt du«, sagte er, »ich glaube, Freddy Robertson hätte denjenigen als seinen besten Studenten betrachtet, der jedes wertvolle Wort von ihm aufsaugt und seine Ansichten am originalgetreusten nachplappert.«
    Â»Ja, da hast du recht, Ben. Ich wette, er mochte Vernon, weil er leicht zu beeinflussen war. Treue ist ein gutes Wort. Und loyal – wie ein Hund.«
    Â»Warum sagst du das?«
    Â»Na ja, er hat die Geheimnisse des Professors lange Zeit für sich behalten. Er ist selbst dann loyal geblieben, als Robertson anfing, sich Sorgen zu machen, dass Vernon zusammenbrechen und ihn verraten könnte.«
    Cooper runzelte die Stirn. »Interpretierst du es so?«
    Â»Was meinst du damit, Ben?«
    Â»Ich glaube, dass die Loyalität andersherum funktionierte. Vernon hat gedacht, er hätte Robertson einen großen Gefallen damit getan, dass er ihm einen echten Leichnam beschafft hat. Das war als besonderes Geschenk gedacht, so wie eine Katze ihrem Besitzer ihre Beute ins Haus bringt.«
    Â»Sprichst du von Audrey Steele?«
    Â»Ja, natürlich. Richard Slack hatte nichts mit dem Diebstahl ihres Leichnams zu tun – das war Vernons Idee. Aber Robertson hat sein Geschenk abgelehnt. Das ging dem Professor einen Schritt zu weit – es hat ihm den Tod ein bisschen zu nahe gebracht. Vielleicht hat ihn die Vorstellung sogar in Angst und Schrecken versetzt.«
    Â»Dann hat er also doch nur große Reden geschwungen.«
    Â»Aber er hat Vernon nicht verraten, oder?«, sagte Cooper. »Das ist es, was ich mit Loyalität gemeint habe.«
    Â»Woher weißt du das alles, Ben?«
    Er schob einen Beweisbeutel über den Küchentisch, der ein Schulheft mit rotem Einband enthielt, dessen Seiten abgegriffen waren. Auf der Außenseite des Beutels befand sich Blut. Cooper wurde bewusst, dass das Blut vermutlich von ihm selbst stammte.
    Â»Das ist Vernons Tagebuch«, sagte er. »Als sein Großvater es fand, hat er angefangen, sich Sorgen über Vernons Verhalten zu machen, und das ganze Haus durchsucht. Man braucht nicht viel davon zu lesen, um zu verstehen, warum der alte Mann so reagiert hat. Er ist Zeuge der Zerstörung all dessen geworden, was er aufgebaut hatte – nicht nur des Geschäfts, sondern auch seiner Familie. Und die Ursache dafür war das Einzige, was ihm noch geblieben war: sein Enkel.«
    Â»Ein Tagebuch? Oder was man sich darunter vorstellt?«
    Â»Sieh es dir an«, forderte Cooper sie auf. »Lies es.«
    Fry nahm das Tagebuch mit einem Gesichtsausdruck entgegen, als sei ihr eine tickende Bombe überreicht worden. Sie schlug es weit hinten auf, als hoffte sie, dem Schlimmsten zu entgehen.
    MEIN TAGEBUCH DER TOTEN, PHASE SECHS
    Am Tag meiner Geburt waren meine Knochen weich. So weich, dass man sie kaum hätte brechen hören.Wenn man ganz gewissenhaft gelauscht hätte, hätte man vielleicht das leise Knirschen eines Unterarms vernommen, als dieser brach, oder das Krachen meines Oberschenkelknochens, als dieser splitterte. Doch ich bin sicher, es wäre kaum zu hören gewesen. Nicht bei dem Lärm meiner Schreie.
    Jetzt sind meine Knochen älter und kräftiger. Wenn ich lange genug lebe, werden sie vielleicht krumm und brüchig werden, bis sie meinen Körper nicht mehr tragen. Doch tief in meinem Inneren werden die Spuren meiner Kindheit noch vorhanden sein – die Bruchlinien, die Anzeichen für unvollständige Verheilung. Jetzt sind sie unsichtbar, außer für ein Röntgengerät.
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