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Todesspiel

Todesspiel

Titel: Todesspiel
Autoren: R.Scott Reiss
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Aber es gab nichts mehr zu tun. Eine Hand legte sich schwer auf Rubens’ Schulter, und Cizinio sagte: »Er war der Falsche für den Job. Aber ein guter Mann.«
    Rubens drehte sich um. Cizinio schaute ihn mit seinen hellblauen Augen an. Der Gouverneur, hatte Cizinio berichtet, habe auf dem Weg zur Ranch über Schmerzen im Nacken und im linken Arm geklagt. Dann habe er sich plötzlich übergeben und sei in sich zusammengesackt.
    »Herzinfarkt«, hatte Rubens den Arzt sagen hören.
    »Ich weiß, dass du ihn gemocht hast, Rubens«, sagte Cizinio in einem beinahe höflichen Ton. »Aber du hättest nichts für ihn tun können.«
    Rubens drehte sich der Magen um. Er konnte die blinkenden Lichter des Krankenwagens nicht mehr sehen. Der Dschungel war dicht und schwarz. In der Ferne schimmerte der Himmel rötlich von den Lichtern der Stadt und von den Rodungsbränden. Die Ranch wirkte friedlich, und die Gesichter der Polizisten zeichneten sich wie bleiche Ovale in der Dunkelheit ab. Durch das offene Fenster hörte er Frauenstimmen. Es war also gar kein Geschäftstreffen gewesen, sondern eine Party.
    »Bevor dem Gouverneur übel wurde, hat er mir befohlen, dich zu befördern«, sagte Cizinio. »Es war sein letzter Wunsch.«
    Rubens versuchte, sich seine Erschütterung nicht anmerken zu lassen. Rio Branco war nicht der Ort für Zwischentöne. Im Dschungel war alles offensichtlich. Vor allem, wenn es um Entscheidungen ging.
    »In deiner neuen Position steht dir ein Dienstwagen zur Verfügung«, sagte Cizinio, während er Rubens durchdringend ansah, den Mund zu einem falschen Lächeln verzogen. »Nimm den weißen Bandeirante. Er gehört dir. Sprit geht auf Kosten der Regierung. Aber du kannst ihn auch privat nutzen. Du bist jetzt ein Offizier.«
    »Wer wird denn jetzt die Verhandlungen mit Honor Evans führen?«
    »Ach, das geht uns gar nichts an. Ich vermute, der Vizegouverneur wird das übernehmen«, sagte Cizinio.
    Rubens nahm den Geruch nach Talkum wahr und sah die Armmuskeln, die Stahlseilen glichen. Cizinio ließ die Autoschlüssel vor seiner Nase baumeln.
    Steckten sie etwa alle mit drin? Welches Angebot von Honor Evans hatte der Gouverneur abgelehnt?
    »Danke«, sagte Rubens.
    Widerwillig ging er zu dem Bandeirante hinüber. Er kam sich vor wie ein Verräter – weil er so getan hatte, als würde er das Geschenk annehmen. Weil er den Gouverneur im Stich gelassen hatte. Aber er wusste, was er als Nächstes tun musste, um den anderen Teil seines Versprechens einzulösen, und dazu brauchte er den Wagen.
    Langsam fuhr Rubens von der Ranch weg, bis er außer Sichtweite war. Dann trat er das Gaspedal durch. Sein Herz pochte wie wild. Er brauchte zwanzig Minuten bis zu seinem Haus in der neuen Barackensiedlung in Tancredo Neves. Rosa schlief, und seine zwölfjährige Tochter Estrella war, wie er einem Zettel entnehmen konnte, bei ihrem Großvater.
    Selbst jetzt, wo er es so eilig hatte, beruhigte es ihn, in seinem Haus zu sein. Es stand zwar mitten in einem Slum, aber im Innern des kleinen Hauses fühlte er sich dank Rosa in Sicherheit. Hier duftete es nach gutem Essen und nach dem Frieden ihrer eigenen kleinen Welt. Draußen tobte das Chaos, aber drinnen herrschte Ruhe. Rosa war das Beste, was ihm je im Leben passiert war. Sie war seine Freundin und Kameradin. Sie kannten sich schon als Kinder und waren gemeinsam der Armut entwachsen. Cizinio hatte nie eine Chance bei ihr gehabt, er war zu gewalttätig. Estrella war ein Kind der Liebe, und solche Kinder vertiefen die Liebe.
    Er nahm das Geld des Gouverneurs aus dem doppelten Boden von Rosas Mehlkrug. Damit es so aussah, als hätte er sich schlafen gelegt – womöglich schickte Cizinio jemanden, der ihm nachspionierte –, ließ er den Bandeirante vor der Tür stehen und fuhr mit einem Taxi zur Residenz des Gouverneurs. Jetzt, um drei Uhr früh, brannte überall Licht. Rubens wusste, dass das Flugzeug, das Rio Branco täglich verließ, um fünf Uhr zum Boarden bereit sein würde.
    »Der Gouverneur hat mir aufgetragen, Sie in das erste Flugzeug zu setzen«, erklärte er dessen Frau, nachdem die Wachen ihn durchgelassen hatten. »Ich werde am Flughafen warten, bis es abgehoben hat.«
    Schnell, beeilen Sie sich, dachte er.
    Stattdessen setzte sie sich aufs Sofa im Wohnzimmer, jetzt schon eine Ausgestoßene, denn man hatte sie per Telefon über das informiert, was vorgefallen war. Auf dem Sofatisch stand eine halb leere Flasche Cachaça, und sie hielt ein Glas mit halb
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