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Todesküsse

Todesküsse

Titel: Todesküsse
Autoren: Jason Dark
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und von ihrem Glas gestoppt wurde.
    »Das ist er«, sagte Jane. »Neu, nicht gebraucht, also noch jungfräulich. Licky Lips…«
    Ich schaute ihn mir genau an. Die Hülle unterschied sich in nichts von einem normalen Lippenstift. Sie war in einem dunklen Rot lackiert, das mich an Blut erinnerte. An den Enden besaß die Hülle zwei goldene Ringe, die den Stift wohl wertvoller aussehen lassen sollten. »Und der Preis?« fragte ich.
    »Hält sich im unteren Drittel der vergleichbaren Konkurrenzprodukte«, erklärte Jane.
    »Was hast du damit vor?«
    »Ganz einfach, John. Ich werde ihn ausprobieren.«
    »Und mich töten wollen?«
    Jane lächelte mich an. »Das weiß ich nicht. Der Stift kann auch harmlos sein.«
    »Wann hast du ihn dir gekauft?«
    »Bevor wir uns trafen. Ich bin hingegangen und habe nach dem besonderen Stift gefragt…«
    »Wo war das?«
    »In einem Kaufhaus, das bekannt ist für seine Kosmetik-Abteilung. Dort steht eine Propagandistin, die die Aufgabe übernommen hat, den Lippenstift zu vertreiben. Sie ist im Moment die einzige. Es führen keine weiteren Kaufhäuser oder Kosmetik-Läden das Produkt. Sie stehen erst am Beginn.«
    »Und dann diese Werbekampagne.«
    Jane hob die Schultern. »Was willst du, die Kunden sollen eben neugierig werden.«
    Ich schaute auf die halbrunde Fruchtsaft-Theke, wo weitere Gäste saßen und ihre Säfte tranken. Jugendliche oder Junggebliebene. Keine Krawallmacher, zumeist Schüler, die, der Kleidung nach zu urteilen, nicht zu den Ärmsten gehörten.
    »Du siehst besorgt aus, John.«
    »Das bin ich auch. Stell dir vor, es passiert etwas, nachdem du dir die Lippen geschminkt hast.«
    »Ich werde schon rechtzeitig genug aufhören. Außerdem kannst du mich nicht mit normalen Maßstäben messen.«
    »Jetzt hör aber auf!«
    »Das meine ich ernst, John. Überleg mal, ich war eine Hexe. Möglicherweise steckt noch ein gewisses Erbe in mir. Ich habe ja etwas gespürt, ich weiß, daß ich nicht vollends gelöst bin und…«
    »Ja, ja, schon gut.«
    Jane lächelte. »Außerdem bist du hier und kannst auf mich achtgeben.«
    Mir gefiel das alles nicht so recht. Aber ich wollte Jane auch nicht bevormunden. Sie mußte selbst am besten wissen, was sie zu tun hatte. So schaute ich zu, wie sie den Lippenstift in die Hand nahm und die Kappe abdrehte. Danach drehte sie das untere Ende nach rechts und den roten Stift somit in die Höhe. Ich schaute sehr genau hin, konnte aber keinen Unterschied zu einem völlig normalen Lippenstift feststellen. Jane lächelte mir zu. »Na, noch immer mißtrauisch?«
    »Ja.«
    »Ich auch.« Mit der linken Hand holte sie einen Spiegel aus der Handtasche und hielt ihn vor ihr Gesicht.
    »Schminken ist nicht mehr in!« rief jemand von der Theke her. »Man setzt heute auf Natur.« Der junge Mann hob sein Glas mit Pampelmusensaft und prostete uns zu.
    Ich nahm ebenfalls das Glas hoch. »Es ist zwar nicht in, aber manchmal braucht eine Frau das.«
    Er hatte sich schon wieder umgedreht und sprach mit seinen Freunden. Jane aber hielt den Spiegel in der linken und den Lippenstift in der rechten Hand. Der Spiegel gab nur das untere Drittel ihres Gesichts zurück. Besonders natürlich die Lippen.
    Sie bewegte den Mund und feuchtete die Unterlippe leicht an. Dann drehte sie den Stift um eine Idee höher.
    Ich rückte mit dem Stuhl nach rechts, um Jane anschauen zu können. Sie lächelte mir noch einmal zu, bevor sie sich mit dem Lippenstift die Lippen anmalte.
    Sehr vorsichtigt sehr weich, nur keine Bewegung zuviel. Auch sie hatte Mühe, ein Zittern zu unterdrücken und die Konturen der Lippen genau zu treffen.
    Jane konzentrierte sich dabei auf ihr Spiegelbild. Mich sah sie nicht, ich jedoch beobachtete sie genau. Allmählich bekam die Oberlippe eine andere Färbung. Sehr rot, sehr dunkel, fast wie gestocktes Blut aussehend. Ich mochte diese Farbe nicht. Sie war einfach zu grell, auffällig und herausfordernd. Sie zog Blicke auf sich, das sollte wahrscheinlich auch so sein.
    Jane ließ den Stift und den Spiegel sinken. Sie schaute mich über die runde Platte des Tisches hinweg an. »Das war es«, sagte sie leise. Ich betrachtete ihren Mund. Er wirkte verschminkt. Die Unterlippe zeigte die normale Farbe, während die andere in diesem blutigen Rot leuchtete.
    »Wie fühlst du dich?«
    »Normal.«
    »Du merkst also nichts von der in der Werbung propagierten dämonischen Kraft?«
    »Noch nicht.« Jane lehnte sich zurück. Sie hatte mir zwar erklärt, daß sie sich normal
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