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Todesjagd

Titel: Todesjagd
Autoren: Brett Battles
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Rückfahrt zur Sattelzugmaschine.
    »Was?«, fragte Quinn, der in Gedanken gewesen war.
    »Das Bild. Kennst du die Frau?«
    Nate zeigte auf Quinns Hand. Zwischen Daumen und Zeigefinger umklammerte er fest das Bild, das in Markoffs Kragen gewesen war. Quinn war überrascht, denn er erinnerte sich nicht, es aus der Hemdtasche genommen zu haben.
    Die Frau auf dem Bild lächelte in die Kamera, der Wind hatte ihr hellbraunes Haar durcheinandergebracht, so dass es auf eine Seite hing. Eine Hand lag auf ihrer Schulter, ganz nah am Hals, an einer Stelle, die nur ein ihr sehr vertrauter Mensch berühren durfte. Markoffs Hand. Obwohl es auf dem Bild nicht zu sehen war, musste rechts das Hotel Del Coronado in San Diego gewesen sein.
    Es war an einem Samstag gewesen, kurz nach dem Lunch. Vor fast einem Jahr.
    Der Name der Frau war Jenny Fuentes.
    Und der, der das Bild aufgenommen hatte, war Quinn.

3
    Mit ausgestreckten Armen stand Quinn unter der Dusche, die Handflächen an die Wand gepresst. Sie gab ihm Halt. Eine halbe Stunde bewegte er sich nicht, ließ das Wasser auf seine Schultern prasseln, auf seinen Kopf spritzen und über seinen Körper auf den gefliesten Boden der Duschkabine fließen. Er hatte gehofft, es würde ihm helfen, sich wieder normal zu fühlen, ihn aus der Spirale herausholen, in die er hineinglitt.
    Kurz vor ein Uhr morgens gab er auf; er wusste, dass der Zorn nicht vergehen und die Fragen nicht aufhören würden. Er nahm sich Zeit mit dem Abfrottieren, wie jemand, den nach einem Tag schwerer Arbeit jeder einzelne Muskel schmerzte. Aber seinen Muskeln fehlte nichts. Die Arbeit, die er und Nate erledigt hatten, war nicht allzu anstrengend gewesen. Er hatte problemlos körperlich ermüdendere Aufträge erledigt. In seiner Branche musste er schlank und gut in Form bleiben, wie ein Langstreckenläufer, der von einem Augenblick zum anderen einen Marathon laufen musste.
    Es war auch nicht der Anblick von Markoffs entstelltem Leichnam, der in dem flachen Grab verbrannte, der Quinn so tief getroffen hatte. Es war vielmehr die Erinnerung an Markoff selbst, sein rasches Lächeln und entwaffnendes Lachen. Ein Insider, der auch außerhalb ihrer geheimen Welt zum Freund geworden war. Zu einem guten Freund.
    »Du musst entspannen«, hatte Markoff Quinn aufgezogen. »Das Leben ein bisschen genießen.«
    »Was tu ich denn, deiner Meinung nach?«, hatte Quinn entgegnet. Sie waren auf den Bahamas, hatten am Pool ihres Hotels auf Liegestühlen gelegen.
    »Du tust, was du immer tust«, sagte Markoff.

    »Und das wäre?«
    »Auf jeden Fall entspannst du dich nicht.«
    »Ich versteh dich nicht. Ich bin doch die ganze Zeit entspannt. Also lass mich verdammt noch mal in Ruhe.« Quinn nahm einen Schluck von seinem Cola mit Rum und lehnte sich dann in seinem Liegestuhl zurück.
    Sein Freund lachte.
    »Was du tust, hat nichts mit Entspannung zu tun. Du sprichst von Geduld. Und von der hast du mehr als sonst jemand, den ich kenne.«
    »Das ist doch dasselbe«, sagte Quinn.
    »Nicht annähernd. Entspannt sein heißt, dass dir alles egal ist. Geduldig sein heißt, dass du wartest.«
    »In Ordnung«, sagte Quinn. »Glaub, was du glauben willst.«
    Sie schwiegen ein paar Sekunden.
    Dann sagte Markoff:
    »Darf ich dich etwas fragen?«
    »Nur zu.«
    »Rechts von mir sind zwei Mädchen. Was haben sie an?«
    Quinn wollte den Kopf drehen.
    »Nicht hinschauen«, sagte Markoff.
    »Gut. Bikinis. Alle beide. Die Blonde einen himmelblauen, ihre Freundin einen schwarzen. Na und?«
    »In Ordnung. Und der Typ an der Bar hinter uns?«
    »Der ältere oder der Teenager?«
    »Ich glaub, das ist der Beweis«, sagte Markoff.
    »Was?«
    »Du bist immer auf dem Sprung, wartest immer, beobachtest immer. Du bist nicht entspannt. Du wartest darauf, dass etwas passiert.«
    Obwohl Quinn es nicht zugegeben hätte, hatte Markoff es genau getroffen. Ein Mensch konnte sich nicht entspannen,
wenn er immer wartete. Und für Quinn war das Warten ein ständiger Zustand.
    Das Ärgerliche war, dass Quinn wusste, dass auch Markoff gewartet hatte. Als Field Operator konnte man dem Warten nicht entkommen. Doch irgendwie hatte Markoff es immer verstanden, es abzustellen. War vom Warten in Entspannung hinübergeglitten. Es war eine Eigenschaft, die Quinn auch gern gehabt hätte.
    Jetzt würde Markoff natürlich nie wieder warten müssen.
    Der Gedanke brachte Quinn wieder zurück zu dem Leichnam in der Wüste. Es hätte so nicht sein sollen. Zumindest hätte er dafür sorgen
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