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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung
Autoren: Dean R. Koontz
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der Junge beunruhigt.
    »Wir sind so schnell weggefahren, daß sie gar nicht Zeit hatte, sich die Nummer zu merken. Außerdem war sie hysterisch. Sie hat nicht klar genug denken können, um das Nummernschild zu lesen. Wie gesagt, das ist jetzt alles vorbei. Wirklich. Okay?«
    Er zögerte einen Augenblick lang und sagte dann, »Okay. Aber, Mama, ich hab' nachgedacht...«
    »Was denn?«
    »Diese verrückte alte Frau... Könnte es sein, daß sie... eine Hexe war?«
    Fast hätte Christine gelacht, aber dann wurde ihr klar, daß er es nicht ironisch meinte. Sie setzte eine ernste Miene auf, so ernst wie sein eigener Ausdruck, und sagte: »Oh, ich bin ganz sicher, daß sie keine Hexe war.«
    »Ich meine nicht wie Hilda mit dem Besen, du weißt schon, aus dem Fernsehen, ich meine eine richtige Hexe. Eine richtige Hexe würde unser Nummernschild nicht brauchen, weißt du? Die würde gar nichts brauchen. Sie würde uns einfach ausschnüffeln. Es gibt keinen Ort im ganzen Universum, wo man sich verstecken kann, wenn eine Hexe hinter einem her ist. Hexen haben Zauberkräfte.«
    Er war entweder bereits überzeugt, daß die alte Frau eine Hexe war, oder im Begriff, sich davon zu überzeugen. Jedenfalls machte er sich selbst unnötige Angst.
    Christine erinnerte sich daran, wie die seltsame Frau sich an den Wagen geklammert hatte, wie sie an dem Türgriff gezerrt und mit ihnen Schritt gehalten hatte, als sie wegfuhren, und ihnen nachgeschrien hatte. Ihre Augen und ihr Ge sicht hatten zugleich Wut und eine beunruhigende Macht ausgestrahlt; es hatte wirklich den Anschein erweckt, als könnte sie imstande sein, den Firebird mit bloßen Händen aufzuhalten. Eine Hexe? Daß ein Kind auf die Idee kommen könnte, sie verfügte über übernatürliche Kräfte, war durchaus verständlich.
    »Eine richtige Hexe«, wiederholte Joey mit einem leichten Zittern in der Stimme.
    Sie mußte ihm diese Hexengeschichte ausreden, konnte aber nicht einfach sagen, daß es so etwas nicht gab. Wenn sie das versuchte, würde er meinen, sie behandle ihn wie ein Baby. Sie würde auf seiner Annahme aufbauen müssen, daß es wirklich Hexen gab, dann die Logik eines Kindes einsetzen müssen und ihm klarmachen, daß die alte Frau auf dem Parkplatz unmöglich eine Hexe gewesen sein konnte.
    So sagte sie: »Nun, ich kann durchaus verstehen, daß du sie für eine Hexe hältst. Mann! Ich meine, sie hat ja wirklich ein wenig so ausgesehen, wie man sich Hexen vorstellt, nicht wahr?«
    »Nicht nur ein wenig.«
    »Nein, nein, wirklich nur ein wenig. Wir wollen nicht ungerecht zu der armen alten Lady sein.«
    »Sie hat ganz genau wie eine gemeine Hexe ausgesehen«, sagte er. »Ganz genau. Nicht wahr, Brandy?«
    Der Hund schnaubte so, als würde er die Frage verstehen und seinem jungen Besitzer zustimmen.
    Christine kauerte sich nieder, kraulte den Hund hinter den Ohren und sagte: »Was weißt du denn davon, du Pelzgesicht? Du warst ja nicht einmal dabei.«
    Brandy gähnte.
    »Sie hat gruselige Augen gehabt«, beharrte der Junge. »Richtig aus dem Kopf gequollen sind sie ihr; du hast sie doch gesehen, irgendwie irr. Und dann ihr zerzaustes Haar — wie das einer Hexe.«
    »Aber sie hatte keine große Hakennase mit einer Warze an der Nasenspitze, oder?«
    »Nein«, räumte Joey ein.
    »Und sie war auch nicht schwarz gekleidet, oder?«
    »Nein, aber ganz in Grün«, sagte Joey, und sein Tonfall ließ klar erkennen, daß die Kleidung der alten Frau ihm ebenso seltsam vorgekommen war wie Christine.
    »Hexen tragen kein Grün. Sie trug auch keinen hohen spitzen Hut.«
    Er zuckte die Achseln.
    »Und sie hatte keine Katze«, sagte Christine.
    »Na und?«
    »Eine Hexe geht ohne ihre Katze nirgendwohin.«
    »Wirklich nicht?«
    »Nein. Das ist ihr Schutzgeist.«
    »Was heißt das?«
    »Der Schutzgeist einer Hexe ist ihr Kontakt mit dem Teufel. Durch den Schutzgeist, durch die Katze also, verleiht der Teufel ihr Zauberkräfte. Ohne die Katze ist sie bloß eine häßliche alte Frau.«
    »Du meinst, daß die Katze auf sie aufpaßt, damit sie nichts tut, was dem Teufel nicht gefallen würde?«
    »Genau.«
    »Ich hab' keine Katze gesehen«, sagte Joey und runzelte die Stirn.
    »Da war keine Katze, weil sie keine Hexe war. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Honey.«
    Sein Gesicht hellte sich auf. »Junge, das ist fein! Wenn sie eine Hexe gewesen wäre, hätte sie mich in eine Kröte verwandeln können oder so etwas.«
    »Nun, das Leben als Kröte wäre vielleicht gar nicht so
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