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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung
Autoren: Dean R. Koontz
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war gegen zuviel Fett in seiner Ernährung und plante seine Mahlzeiten sorgfältig. Es gab nicht oft Eis. Er nutzte den Augenblick und sagte: »Kann ich eine Kugel davon und eine Kugel Zitronencreme haben?«
    »Zwei Kugeln?«
    »'s ist doch Sonntag«, sagte er.
    »Sonst war Sonntag gar nichts Besonderes; schließlich gibt's jede Woche einen. Hat sich da etwas verändert?«
    »Nun, hm... Weißt du, ich hab' gerade...« Er verzog das Gesicht, dachte scharf nach. Dann arbeitete sein Mund, als würde er irgend etwas Klebriges kauen, und schließlich meinte er: »Ich hab' doch gerade ein... ein traumamamatisches Erlebnis gehabt.«
    »Ein traumatisches Erlebnis?«
    »Mhm. So heißt's.«
    Sie blinzelte ihm zu. »Wo hast du denn das aufgeschnappt? Oh. Natürlich. Schon gut. Val.«
    Wenn es nach Valerie Gardner ging, die zu theatralischen Auftritten neigte, war es schon ein traumatisches Erlebnis, am Morgen aufzustehen. Und keinen guten Parkplatz zu finden, war auch ein traumatis ches Erlebnis. Val hatte jeden Tag ein halbes Dutzend traumatischer Erlebnisse - und genoß das ungeheuer.
    »Also, es ist Sonntag, und ich hatte ein traumatisches Er lebnis«, sagte Joey, »und deshalb sollte ich zwei Kugeln Eis haben, um das auszugleichen. Verstehst du?«
    »Ich verstehe nur, daß ich am besten wenigstens zehn Jahre nichts mehr von traumatischen Erlebnissen höre.«
    »Und wie ist das mit dem Eis?«
    Sie blickte auf sein zerrissenes Hemd. »Zwei Kugeln«, stimmte sie zu.
    »Mann! Ist heute ein Klassetag, was? Jemand mit 'ner richtigen Meise und zwei Kugeln Eis!«
    Christine kam aus dem Staunen nicht heraus, wie unverwüstlich Kinder doch waren, ganz besonders wie unverwüstlich dieses Kind war. Er hatte die Episode mit der alten Frau innerlich bereits von einem Augenblick des Schreckens in ein Abenteuer verwandelt, das zwar nicht ganz, aber fast so gut wie ein Besuch in einer Eisdiele war.
    »Du bist mir einer«, sagte sie.
    »Du bist auch eine.«
    Er schaltete das Radio ein und summte glücklich mit der Musik, bis sie vor Baskin-Robbins anhielten.
    Christine sah immer wieder in den Rückspiegel. Niemand folgte ihnen. Dessen war sie sicher. Trotzdem sah sie sich immer wieder um.

2
    Nachdem sie mit Joey in der Küche ein leichtes Abendessen eingenommen hatte, ging Christine an ihren Schreibtisch, um etwas zu arbeiten. Sie und Val Gardner besaßen in Newport Beach einen Feinschmeckerladen, der sich Wine & Dine nannte; sie verkauften dort gute Weine, Delikatessen aus der ganzen Welt, hochwertige Kochutensilien und etwas exotische Geräte wie Spaghetti- und Espressomaschinen. Der Laden existierte jetzt seit sechs Jahren und war gut etabliert; genaugenommen machten sie sogar höhere Gewinne, als Christine oder Val je zu hoffen gewagt hatten, als sie ihr Geschäft eröffnet hatten. Jetzt planten sie, noch in diesem Sommer eine Filiale zu eröffnen und dann, irgendwann im nächsten Jahr, ein drittes Geschäft im Westen von Los Angeles. Das Ganze machte ungeheuren Spaß, nur mit dem Nachteil, daß das Geschäft immer mehr Zeit in Anspruch nahm. Dies war nicht der erste Abend an einem Wochenende, den sie mit dem allgegenwärtigen Papierkrieg verbringen mußte.
    Nicht, daß sie sich beklagt hätte. Vor dem Wine & Dine hatte sie sechs Tage die Woche als Kellnerin gearbeitet. Sie hatte damals zwei Jobs gleichzeitig ausgefüllt: vier Stunden mittags in einem Schnellimbiß und sechs Stunden am Abend in einem mittelmäßig teuren französischen Restaurant, dem Chez Lavelle. Aber nach ein paar Jahren hatte sie gespürt, daß die Arbeit sie abstumpfte und altern ließ: die Sechzig-Stunden-Woche; die Hilfskellner, die häufig schon unter Drogen standen, wenn sie zur Arbeit kamen, so daß sie sie hatte decken und zwei Jobs statt des einen hatte verrichten müssen; die schmierigen Typen, die in dem Schnellimbiß zu Mittag aßen und die so widerwärtig und ekelhaft und hartnäckig sein konnten, die man aber um des Geschäftes willen mit gespielter Koketterie beruhigen mußte.
    Und dabei verbrachte sie so viel Zeit auf den Füßen, daß sie an ihrem freien Tag nichts anderes tat, als mit hochgelegten Beinen die Sonntagszeitung zu lesen und sich dabei besonders auf den Wirtschaftsteil zu konzentrieren, wobei sie davon träumte, eines Tages ein eigenes Geschäft zu besit zen.
    Immerhin hatte sie sparsam gelebt — sie hatte sogar zwei Jahre lang auf einen Wagen verzichtet —, daß sie es mit ihren gesparten Trinkgeldern schließlich geschafft hatte,
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