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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung
Autoren: Dean R. Koontz
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seinem Zimmer vor, so daß nicht einmal ein Spalt blieb, durch den ihn jemand sehen könnte. Dann packte sie ihn ins Bett, gab ihm einen Gutenachtkuß und überließ ihn Brandys Obhut.
    Als sie dann wieder in ihrem eigenen Bett lag und das Licht ausgeschaltet hatte, starrte sie zur Decke. Sie konnte nicht schlafen, rechnete die ganze Zeit mit irgendeinem plötzlichen Geräusch - dem Splittern von Glas oder dem Ächzen einer Tür, die aufgebrochen wurde —, aber die Nacht blieb friedlich.
    Nur der Februarwind störte mit einer gelegentlichen heftigen Bö die nächtliche Stille.
    In seinem Zimmer knipste Joey die Lampe aus, die seine Mutter für ihn eingeschaltet gelassen hatte. Die Dunkelheit war absolut.
    Brandy sprang auf das Bett, auf dem er unter keinen Umständen sein durfte (eine von Mamas Regeln: kein Hund im Bett), aber Joey schob ihn nicht weg. Brandy ringelte sich ein und war willkommen.
    Joey lauschte dem Nachtwind, der am Haus leckte und schnüffelte; er klang wie ein lebendes Wesen. Er zog sich die Decke bis zur Nase, als wäre sie ein Schild, das ihn vor allem Ungemach schützen konnte.
    Nach einer Weile sagte er: »Sie ist immer noch irgendwo dort draußen.«
    Der Hund hob den Kopf.
    »Sie wartet, Brandy.«
    Der Hund stellte ein Ohr auf.
    »Sie wird wiederkommen.«
    Der Hund knurrte tief in der Kehle.
    Joey legte seinem pelzigen Freund die Hand auf den Rükken. »Du weißt es auch, nicht wahr, Junge? Du weißt, daß sie dort draußen ist, oder?«
    Brandy wuffte leise.
    Der Wind stöhnte.
    Der Junge lauschte.
    Die Nacht tickte der Morgendämmerung entgegen.

4
    Mitten in der Nacht — sie konnte nicht schlafen — ging Christine den Korridor hinunter zu Joeys Zimmer, um nach ihm zu sehen. Die Lampe, die sie hatte brennen lassen, war jetzt ausgeschaltet, und das Zimmer war schwarz wie ein Grab. Einen Augenblick lang schnitt ihr die Angst den Atem ab. Aber als sie das Licht anknipste, sah sie, daß Joey im Bett lag, schlief, in Sicherheit war.
    Brandy lag ebenfalls behaglich eingerollt auf dem Bett, wachte aber auf, als sie das Licht einschaltete. Er gähnte, leckte sich die Lefzen und warf ihr einen Blick zu, der voll hündischen Schuldgefühls war.
    »Du kennst doch die Regeln«, flüsterte sie. »Auf den Bo den mit dir!«
    Brandy stieg vom Bett, ohne Joey zu wecken, trollte sich in die nächste Ecke und ringelte sich auf dem Boden zusammen. Dann sah er sie mit einem Blick wie ein Schaf an.
    »Braver Hund«, flüsterte sie.
    Er wedelte mit dem Schweif und fegte damit den Teppich.
    Sie knipste das Licht aus und ging wieder zu ihrem Zimmer zurück. Sie hatte erst ein oder zwei Schritte zurückgelegt, als sie im Zimmer des Jungen eine Bewegung hörte und wußte, das war Brandy, der zum Bett zurückkehrte. Aber in dieser Nacht war es ihr eigentlich gleichgültig, ob sie nun Hundehaare auf die Decke bekam oder nicht. Das einzige, was ihr heute nacht wichtig schien, war, daß sie Jo ey in Sicherheit wußte.
    Sie kehrte in ihr Bett zurück und döste unruhig, wälzte sich hin und her und murmelte im Schlaf, als die Nacht dem Morgen entgegenkroch. Sie träumte von einer alten Frau mit grünem Gesicht, grünem Haar und langen grünen Fingernägeln, die sich zu scharfen Klauen krümmten.
    Endlich kam der Montagmorgen, und die Sonne schien. Es war viel zu sonnig. Sie wachte früh auf, und das Licht bohrte sich durch ihre Schlafzimmerfenster, ließ sie zusammenzucken. Ihre Augen waren verklebt, empfindlich, gerötet.
    Sie duschte lang und heiß und brannte damit etwas von ihrer Müdigkeit weg, zog dann eine dunkelbraune Bluse, einen einfachen grauen Rock und graue Schuhe an.
    Sie trat an den bodenlangen Spiegel in der Badezimmertür und musterte sich kritisch, obwohl es ihr immer peinlich war, ihr Abbild anzustarren. An dieser Scheu war nichts Ge heimnisvolles; sie wußte, daß diese Verlegenheit eine Folge der Dinge war, die man ihr in den verlorenen Jahren beigebracht hatte, zwischen ihrem achtzehnten und zwanzigsten Geburtstag. In jener Phase ihres Lebens hatte sie sich darum bemüht, jegliche Eitelkeit und einen großen Teil ihrer Individualität abzuschütteln, weil man von ihr damals graugesichtige Einförmigkeit verlangt hatte. Man hatte von ihr erwartet, einfach und unterwürfig zu sein und sich selbst zu verleugnen. Jedes Interesse an ihrem Äußeren, auch nur der Anschein von Stolz auf ihr Aussehen, hätte ihr schnelle dis ziplinarische Maßnahmen seitens ihrer Vorgesetzten eingetragen. Obwohl sie jene
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