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Todesbote

Titel: Todesbote
Autoren: Patterson James
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Pistolenschüsse hallten durch die Nacht. Ich stellte mir vor, wie Horst Werner in einem letzten Akt seiner Überführung tot herausgetragen wurde.
    Wie sollten wir Henri finden, wenn Horst Werner tot war?

    Die massive Eingangstür öffnete sich. Zwei Männer, die an der Mauer lehnten, zielten mit ihren Waffen auf die Tür.
    Dann sah ich ihn.
    Horst Werner, der Schreckensherrscher, den van der Heuvel als den Mann an langen, mächtigen Hebeln beschrieben hatte, als Menschen, den ich als Letztes kennenlernen wollte, kam aus seinem Haus. Er hatte eine kräftige Statur und einen Kinnbart, dazu trug er eine Brille mit Goldgestell und einen blauen Mantel. Doch selbst mit über dem Kopf verschränkten Händen hatte er etwas Militärisches. Er wirkte siegesgewiss.
    Dies war der verkorkste Mensch, der hinter allem steckte, der Oberspanner und Obermörder, der Zauberer eines höllischen, pervertierten Oz?
    Er lebte, und er war verhaftet.

122
    Horst Werner wurde, bewacht von Schweizer Polizisten, in einen gepanzerten Wagen verfrachtet. Ich fuhr mit zwei Interpol-Ermittlern mit. Eine Stunde nach der Festnahme erreichten wir die Kantonspolizei Bern.
    Ã„ngstlich beobachtete ich das Verhör durch ein einseitig verspiegeltes Fenster.
    Während Horst Werner auf seinen Anwalt wartete, lief der Schweiß an seinem Gesicht hinab. Ich wusste, die Temperatur wurde hochgedreht, die vorderen Beine von seinem Stuhl waren kürzer als die hinteren, doch Hauptmann Völker, der das Verhör durchführte, konnte Horst Werner nicht viele Informationen entlocken.
    Ein junger Beamter stand hinter meinem Stuhl und übersetzte für mich. »Herr Werner sagt: ›Ich kenne Henri Benoit nicht. Ich habe niemanden umgebracht! Ich schaue zu, aber ich tue nichts.‹«
    Hauptmann Völker verließ kurz das Verhörzimmer und kehrte mit einer DVD zurück. Mein Dolmetscher übersetzte, diese habe man in einem DVD-Spieler gefunden sowie weitere in einem Versteck in Werners Bibliothek. Werners Gesicht erstarrte, als Völker die DVD in ein Abspielgerät einlegte.
    Um welche Aufnahme handelte es sich? Um die mit dem Mord an Gina Prazzi? War es ein Film mit einem anderen von Henri begangenen Mord?
    Ich drehte meinen Stuhl, so dass ich besser sehen konnte, und holte tief Luft.

    Der nach unten geneigte Kopf eines Mannes, von der Schädeldecke bis zur Mitte seines T-Shirts, erschien auf dem Bildschirm. Als der Mann sein geschwollenes, blutiges Gesicht hob, wandte er es von der Kamera, von mir ab.
    Auf den ersten Blick erkannte man nur, dass es sich um einen Mann Mitte dreißig handelte. Ansonsten wies er keine auffallenden Gesichtszüge auf.
    Auf dem Bildschirm fand eindeutig ein Verhör statt. Angespannt beobachtete ich die Szene. Eine Stimme sagte: »Onnn-riii, sag die Worte.«
    Mein Herz machte einen Satz. War er es? War Henri geschnappt worden?
    Â»Ich bin nicht Henri«, erwiderte der Gefangene. »Mein Name ist Antoine Pascal. Sie haben den falschen Mann erwischt.«
    Â»Henri, es ist doch gar nicht schwer«, bohrte die Stimme des Unsichtbaren. »Sag einfach die Worte, und vielleicht lassen wir dich frei.«
    Â»Ich sage Ihnen, ich bin nicht Henri. Mein Ausweis steckt in meiner Brieftasche.«
    Die andere Person kam ins Blickfeld, ein Mann zwischen zwanzig und dreißig Jahren mit dunklem Haar. Eine Spinnennetztätowierung bedeckte einen Teil seines Halses bis zu seiner linken Wange. Er richtete die Kamera so aus, dass der gesamte fensterlose, von einer einzelnen Glühbirne beleuchtete Raum gezeigt wurde. Arme und Beine des Gefangenen waren hinter seinem Rücken gefesselt.
    Â»Okay, Antoine«, sagte der Tätowierte. »Wir haben deinen Ausweis gesehen, und wir bewundern deine Fähigkeit, wie leicht du zu einem anderen Menschen werden kannst. Gib es zu oder nicht. Ich zähle bis drei.«
    Der Tätowierte hielt ein langes Sägemesser in der Hand,
das er gegen seinen Schenkel schlug, während er zählte. »Die Zeit ist um«, verkündete er schließlich. »Ich glaube, das ist das, was du immer wolltest, Henri – erfahren, wie sich der Moment zwischen Leben und Tod anfühlt. Stimmt’s?«
    Die Stimme des Gefangenen kannte ich, ebenso den Blick seiner hellgrauen Augen. Ja, es war Henri. Ich war mir sicher.
    Schrecken erfasste mich, als mir klar wurde, was als Nächstes passieren würde. Ich wollte Henri etwas zurufen, von
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