Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesacker

Todesacker

Titel: Todesacker
Autoren: Stephen Booth Thomas Bauer
Vom Netzwerk:
Anweisungen gegeben.«
    Es dauerte nicht lange, bis die Polizisten einige Mauersteine aus der Vorderwand des Kamins entfernt hatten und ein Hohlraum sichtbar wurde. Einer von ihnen griff mit der Hand hinein und holte ein Paket heraus.
    Der Schädel war schwarz und verrußt. Aus den Händen des Polizisten starrten sie leere Augenhöhlen an, und die Überreste von Zähnen im Kiefer grinsten ihnen schief entgegen. Zwei oder drei Jahre Rauch hatten den weißen Schädelknochen beinahe unkenntlich gemacht.
    Fry nahm den Schädel in eine behandschuhte Hand und hielt ihn ins Licht der blinkenden rot-grünen Beleuchtung des Weihnachtsbaums im Dog Inn.
    »Darf ich vorstellen? Orla Doyle.«

38
    A n diesem Nachmittag wirkte die Pity Wood Farm trostloser denn je, umgeben von den verlassenen Ausgrabungsstellen, den teilweise abgerissenen Nebengebäuden und dem Absperrband, das in sicherem Abstand zu den verseuchten Bereichen im Wind flatterte.
    Cooper bahnte sich den Weg durch den überwucherten Garten zur Rückseite des Hauses. Die Steinstufen, die zum Garten hinaufführten, waren abgenutzt, und in den Vertiefungen stand schlammiges Wasser.
    Abgenutzt. Das war ein passender Ausdruck. Nicht nur für die Stufen, sondern für die ganze Farm. Pity Wood war abgenutzt, erschöpft nach Jahrhunderten, in denen sich die Farm verzweifelt an ihre Existenz geklammert hatte. Wenn sie ein Tier gewesen wäre, hätte irgendjemand sie einschläfern lassen, um sie von ihrem Leid zu erlösen.
    Und was war mit den Brüdern Sutton? Für Raymond schien das Leben nach dem Tod seines Bruders kaum noch einen Sinn zu haben. Selbst wenn die beiden sich nur gegenseitig drangsaliert und gequält hatten, war das immerhin etwas gewesen. Doch ihre Beziehung zueinander war von jahrzehntelangem gegenseitigem Wundreiben zermürbt worden.
    In den Zeitungen konnte man jeden Tag über Einwanderung, illegale Arbeitskräfte, Drogen, Mord, Bankrott, Geisteskrankheit und die Abkehr der Wirtschaft von traditionellen Branchen lesen. All das in den bröckelnden Wänden der Pity Wood Farm vereint zu sehen, war jedoch eine völlig andere Sache. Raymond und Derek Sutton entsprachen nicht gerade den Stereotypen, die man im Sinn hatte, wenn man die Daily Mail las.
    Cooper blieb stehen, um durch ein verstaubtes Fenster in das Farmhaus zu spähen. Er war dazu übergegangen, die Zimmer der Pity Wood Farm mit Farben zu assoziieren, beinahe wie bei den Gemächern eines herrschaftlichen Anwesens – das Blaue Zimmer, das Gelbe Zimmer, das Braungestreifte Zimmer. Welche Farben sie auch haben mochten, es hatte den Anschein gehabt, als hätten nicht alle Zimmer gleich viel Licht enthalten. Und das hatte nicht an der Anzahl der Sprünge in den verbarrikadierten Fenstern gelegen oder an der Tiefe der Schatten, die der riesige Schuppen an die Hauswand warf. Das Spiel des Lichts war ein innerliches gewesen, ein flimmerndes Kaleidoskop von Unwissen und Ausstrahlung. Keine noch so große Menge von Zement und Ytongsteinen würde dieser spirituellen Dunkelheit entgegenwirken können.
    Und Cooper erinnerte sich an noch eine Sache: In den Zimmern auf Pity Wood hatte nichts darauf hingedeutet, welches davon Raymonds Zimmer gewesen war und welches Dereks. Das Durcheinander war zu groß gewesen, als dass man die Wahrheit hätte erkennen können.
    Die Worte des Taufgottesdiensts klangen ihm noch immer in seinem Kopf nach. Gott ruft uns aus der Dunkelheit in sein prachtvolles Licht. Christus zu folgen bedeutet, der Sünde zu sterben. Hatte an jenem Tag in der Kirche ein ähnlicher Kontrast zwischen hell und dunkel geherrscht? Ein Konflikt der Überzeugungen, ein unbehaglicher Pakt zwischen Vernunft und blindem Vertrauen? Cooper war sich nicht sicher. Er würde sich niemals sicher sein. Ihm fehlte die Gabe, diesen Sinneswandel zu vollziehen.
    Jetzt spielten die Figuren, die in die Dunkelheit gingen, Rollen in seinem ganz persönlichen Film, der vor seinem inneren Auge ablief. Er konnte sie nicht daran hindern, der Sicherheit, die das Licht bot, den Rücken zu kehren, wie sehr er sich auch bemühte. Wenn er doch nur gewusst hätte, wo die Rücklauftaste zu finden war.
    Das erinnerte ihn an eine Passage aus einem Buch, in der es um die Beschaffenheit von Zeit ging. Wenn die Zeit Vergangenheit und Gegenwart ununterscheidbar in sich vereint hätte, wäre Derek Sutton noch immer irgendwo hier gewesen. Er wäre noch immer hier gewesen und hätte in einem unvergänglichen Feuer gebrannt.
     
    Diane Fry
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher