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Todesacker

Todesacker

Titel: Todesacker
Autoren: Stephen Booth Thomas Bauer
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die Stirn gegen die seine gepresst hatte. Jamie konnte nicht fassen, wie wütend Nikolai wegen dieser Sache gewesen war. Bislang hatte der Polier seine Stümperei und seine Unkenntnis der Baubranche mit lautstarkem Humor hingenommen. Doch an diesem Morgen war er plötzlich ein anderer Mensch gewesen, eine wilde Bestie, die gefährlich knapp davor war, gewalttätig zu werden. Und das alles wegen eines schlammigen Loches.
    Jamie schluckte die Gallenflüssigkeit hinunter, die ihm im Rachen aufstieg. Er schuftete nunmehr seit Tagen an ein und demselben Flecken Erde, schichtete Stapel von Ytongsteinen für die Maurer um, lud Sandsäcke vom Lastwagen und legte hin und wieder eine kurze Zigarettenpause hinter der Mauer ein. Verdammt, die Abdrücke seiner Stiefel waren überall. Jeder, der sich die Mühe machte, einen Blick auf den Boden zu werfen, würde das Profil seiner Gummisohlen sehen, das sich tief in den Schlamm gedrückt hatte. Sein Blick folgte den Spuren, die er hinterlassen hatte und die kreuz und quer in langen Bögen von zwanzig Metern oder mehr verliefen. Seine Fußstapfen waren so zahlreich und tief, dass sie aus dem Weltall vermutlich ebenso gut zu erkennen waren wie die Chinesische Mauer und für jedermann bei Google Earth gespeichert waren. Sie waren so markant, dass es sich ebenso gut um das Rillenmuster seiner Fingerabdrücke hätte handeln können. Jamie Wards Unterschrift bei der Arbeit, absolut deutlich und vollständig.
    Bald würden die Leute über ihn reden und mit dem Finger auf ihn zeigen. In Kürze würde er Fragen beantworten, endlose Fragen, und immer wieder aufs Neue den Moment durchleben, den er zu vergessen versuchte. Er hatte Polizeiserien im Fernsehen gesehen und wusste, dass sie einen nicht mehr in Ruhe ließen, wenn sie einen erst einmal in einem ihrer kleinen Vernehmungsräume hatten.
    Inzwischen konnte er zwei Sirenen hören, die verspielt im Duett heulten und jaulten, lauter wurden und dann wieder leiser, wenn die Fahrzeuge eine der Kurven im Rakedale-Tal nahmen oder hinter Steinmauern und Bäumen verschwanden, bis sie schließlich oben auf dem Hügel ankamen und in die Farm einbogen.
    Jamie dachte an jenen Morgen zurück, als er aus dem Kleinbus ausgestiegen war, die Beine gestreckt und die Pity Wood Farm zum ersten Mal betreten hatte. Man konnte sich kaum vorstellen, dass hier tatsächlich Gras gewachsen war, als die Truppe mit der Arbeit begonnen hatte. Jetzt war die gesamte Einfahrt aufgegraben, und der Boden auf beiden Seiten war kahl und brach. In einer Ecke durchschnitt die Radspur eines zurückstoßenden Lastwagens seine Stiefelabdrücke.
    Er konnte sich nicht erinnern, dass ihm bei diesem ersten Mal irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen war. Na ja, vielleicht war an dieser Stelle eine leichte Unebenheit des Bodens zu erkennen gewesen, eine minimale Erhöhung, die einem nur dann aufgefallen war, wenn man zufällig eine mit Sand beladene Schubkarre darübergeschoben hatte. Und womöglich war auch das Gras ein wenig grüner gewesen – nur eine Nuance grüner, wenn man ganz genau hinsah. Vielleicht hatten die Halme im winterlichen Sonnenschein unnatürlich gesund geleuchtet. Er hatte damals kein zweites Mal hingesehen und sich nie etwas dabei gedacht. Niemand hätte das getan.
    Doch dann hatte Nikolai ihm aufgetragen, einen Graben für das Fundament einer neuen Mauer auszuheben. Jamie hatte kaum mehr als ein paar Zentimeter tief gegraben, als sich die Farbe des Erdreichs verändert hatte. Allerdings hatte er eine Weile gebraucht, um überhaupt so weit zu kommen. Er hatte so viele Steine mit dem Spaten lockern und herausheben müssen, von Betonbrocken und verrosteten Metallstücken ganz zu schweigen. Ohne Handschuhe hätte er inzwischen wunde Finger gehabt.
    Nach einer halben Stunde war ihm der Gedanke gekommen, dass Nik ihm die Aufgabe als Strafe für irgendetwas gegeben hatte oder einfach deshalb, weil er der Jüngste der Truppe war und obendrein Student, weshalb die anderen ihn »Professor« nannten. Vielleicht lag es aber auch daran, dass er nicht verstand, worum es ging, wenn die Männer auf der Baustelle Scherze machten, und dass sie ihn ausnutzten. Wahrscheinlich sollte hier überhaupt keine Mauer errichtet werden. Da er die Pläne für den Neubau nie zu Gesicht bekommen hatte, konnte er sich nicht sicher sein. Hätte er selbst die Farm gekauft, hätte er die alte Bruchsteinmauer vermutlich stehen lassen und diesen Teil des Grundstücks in eine hübsche Terrasse
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