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Frauen, die Geschichte machten

Titel: Frauen, die Geschichte machten
Autoren: Reinhard Barth
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    |7| Einleitung
    Die uns bekannte Menschheitsgeschichte ist nicht nur eine vorwiegend männergemachte, sondern auch eine von Männern geschriebene.
     Das gilt für eigentlich alle Gebiete von der Politik bis zur Kunst, von der Kirche bis zur Wissenschaft, von der Literatur
     bis zur Wirtschaft, von der Musik bis vor allem natürlich zum Militär. Dadurch ist es zu einer Verengung der Sicht gekommen,
     die weder dem Gegenstand angemessen ist noch dem weiblichen Anteil am Fortgang der Geschichte gerecht wird. Blendet man die
     Hälfte der Menschen einfach aus als Beteiligte an der Entwicklung, kann man auch nur Halbwahrheiten entdecken und verfehlt
     das Vollbild. Nun ist das im Nachhinein nur in Grenzen zu reparieren, da schon die Quellen selektiv zustande gekommen sind
     und die Überlieferung obendrein aussortiert hat, was nicht ins patriarchalische Bild passte. Am ehesten fündig wird man in
     der politischen Geschichte, die besondere Aufmerksamkeit genießt.
    Auf diesem Sektor aber haben Frauen auch besonders selten herausragende Rollen spielen können, doch wenn, dann zeigt sich
     der unterschiedliche politische Ansatz, die speziell weibliche Handschrift, eben auch besonders klar. In diesem Buch werden
     daher in 25 Porträts 26 Frauen vorgestellt, die auf die Politikgestaltung entweder in vorderster Reihe oder doch anderweitig
     maßgeblich Einfluss genommen haben. Das kann auch indirekt geschehen sein wie etwa bei Lola Montez. Wie bei allem exemplarischen
     Vorgehen ist die Auswahl in diesem Buch natürlich subjektiv und geprägt von unserem zugegeben abendländischen Blickwinkel.
     Es kommen nur Personen aus dem mediterraneuropäischen Raum vor, denn selbst eine Indira Gandhi gehört eher zum britischen
     als zum indischen Kulturkreis, was ihren Bildungshintergrund und ihr Politikverständnis angeht.
    Wie an den genannten Namen zu sehen, wird der Begriff »politisch« mal enger, mal weiter gefasst. Wichtig für die Berücksichtigung
     einer Person war mir ihre Strahlkraft oder aber die Ausnahmesituation, durch die sie zur Wirkung gekommen ist. So erlangte
     Kaiserin Theophanu in einer Zeit (10. Jahrhundert) Bedeutung, in der weibliche Herrschaft noch ungewöhnlicher war als ohnedies
     – und die Herrschaft einer Frau aus einem fremden Land schon zumal. An ihrem Exempel wird auch deutlich, dass die Frage des
     Geschlechts oft von dynastischen Erwägungen verdrängt wurde: Es gab keinen mündigen männlichen Erben, sodass die Nächste am
     Thron als Regentin einsprang.
    |8| Solchen Umständen verdanken wir so manche bedeutende Frau in führender Rolle wie Elisabeth I. von England, die einzige schließlich
     verbliebene Erbin der Tudors im 16. Jahrhundert. Sie legte das Fundament für die britische Weltgeltung. Dabei nutzte sie das
     Heiratsinstrument, das regierende Männer gern zur Machterweiterung einsetzten, sozusagen negativ: Sie hielt Bewerber um ihre
     Hand, also um England, taktisch so geschickt hin, dass sie ihre Position nach außen wie innen unterdessen festigen konnte
     und nicht als Ehefrau wieder in die zweite Reihe zurücktreten musste. Da sie als Frau dynastisch nichts zu gewinnen hatte,
     zog sie Kinderlosigkeit und damit den Übergang der Krone an eine andere Dynastie dem eigenen Machtverlust vor.
    Anders Maria Theresia anderthalb Jahrhunderte später, die sich allerdings auf die Vorsorge des Vaters stützen konnte. Karl
     VI. hatte durch die so genannte Pragmatische Sanktion von 1713 den Weg für die weibliche Thronfolge in seinem habsburgischen
     Herrschaftsbereich freigemacht; was die Kaiserkrone anging, glückte das hingegen nicht. Und so kam es zu der Situation, dass
     die Tochter als Königin die eigentliche Hausmacht führte, ihr Mann Franz I. aber Deutscher Kaiser wurde, ohne sie und ihr
     Potenzial aber im Grunde nichts war. Nur den angeheirateten Titel »Kaiserin« verschaffte er ihr. Hier spielten dynastische
     Erwägungen eine Nebenrolle, auch wenn durch die Ehe genealogisch eine neue Linie des Hauses Habsburg entstand, das sich fortan
     Habsburg-Lothringen nannte. Aufgrund der 16 Kinder der Königin und ihres kaiserlichen Gemahls ist das Fürstenhaus heute ungeheuer
     weit verzweigt. Sogar den Untergang der Monarchie in Österreich-Ungarn 1918 hat es mittels ehelicher Querverbindungen zu noch
     immer existierenden europäischen Herrscherhäusern überlebt.
    Nicht dem Vater, sondern dem Parlament verdankte die britische Königin Viktoria den Thron, noch ehe sie geboren
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