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Todesacker

Todesacker

Titel: Todesacker
Autoren: Stephen Booth Thomas Bauer
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beobachtete Cooper, als er das Farmhaus umrundete wie ein Hund, der einem Geruch nachjagt. Sie versuchte, das Gefühl von Unzufriedenheit zu unterdrücken, das noch immer in ihrem Hinterkopf an ihr nagte.
    Sie waren darüber informiert worden, dass in der Magpie-Mine menschliche Überreste gefunden worden waren, vergraben in einer Senke zwischen den Abbauhügeln, ganz in der Nähe der Stelle, wo Cooper an jenem Abend gestolpert war. Die Identität des Leichnams musste erst noch bestätigt werden, doch wer zweifelte schon daran, dass es sich um Alan Sutton handelte? Das entscheidende Detail war die Tatsache, dass den Überresten der Kopf fehlte. Kein Wunder. Er hatte in einem Schrank in Tom Farnhams Werkstatt und auf einen Käufer bei eBay gewartet.
    Somit war der Fall gelöst – mehr oder weniger. Doch die Untersuchung war kein Triumph detektivischer Fähigkeiten gewesen und würde kein Highlight in ihrer Mitarbeiterbeurteilung darstellen, wenn es in ein paar Wochen Zeit dafür war. Wer wusste schon, wie lange die Leichname noch unentdeckt auf Pity Wood gelegen hätten, wenn Raymond Sutton die Farm nicht aufgegeben und zum Umbau verkauft hätte?
    Fry ließ den Blick über die Landschaft und über die auf den Hügeln verstreuten Gehöfte wandern, deren Lichter in der Dämmerung zu flackern begannen. Wie viele Gräuel warteten noch auf anderen Farmen, die noch nicht verkauft und umgebaut worden waren? Es war unmöglich, das zu beurteilen. Bargen sie alle düstere Geschichten, die eines Tages entdeckt werden würden? Hielten sie alle ein makaberes Erbe für zukünftige Generationen bereit? Wickelten in diesem Augenblick Farmer und ihre Familien Weihnachtsgeschenke ein, in dem Wissen, dass nur ein paar Meter entfernt irgendein schreckliches Geheimnis vergraben war?
    Nur Gott wusste, was auf manchen dieser Farmen in der Vergangenheit geschehen sein mochte. Sie waren isoliert und von der Welt abgeschnitten, und ihre Bewohner verfügten über genug Platz, um ihre Sünden unbeobachtet zu beerdigen, ohne Gefahr zu laufen, dass Fremde herumschnüffelten.
    All das brach natürlich inzwischen auseinander, da die moderne Welt auf unterschiedlichste Art und Weise eindrang, die Farmerfamilien sich auflösten und die Farmen selbst wie Dominosteine umfielen und abgerissen oder umgebaut wurden. Und das war nach Frys Ansicht gewiss nicht zu früh. Es war der Vorstoß des einundzwanzigsten Jahrhunderts, wo moderne Ideen die Büchse der Pandora aufhebelten und das verstaubte Netz aus altmodischen Überzeugungen und Aberglauben zerrissen wie die stählerne Düse eines Schlauchs, der in eine verkrustete Jauchegrube geworfen wurde. Entgiftung von Gedanken, so wie Aufräumtrupps Pity Wood entgiften würden. Und das würde dann das Ende der Geschichte bedeuten.
    Fry fröstelte, als ihr plötzlich ein Schauer über den Rücken lief. Jemand ging über ihr Grab – war das nicht die Redewendung?
    »Diane, hast du jemals die Sherlock-Holmes-Kurzgeschichte ›Die Blutbuchen‹ gelesen?«, rief Cooper ihr vom Haus aus zu.
    »Nein. Ist das die mit dem riesigen Hund?«
    »Nein, nicht die mit dem riesigen Hund. Die Geschichte, die ich meine, spielt allerdings auch auf dem Land. Irgendwo in Kent oder Sussex.«
    »Und?«
    »Sie enthält eine Zeile, die mir bekannt vorkommt. Auf dem Weg von London aufs Land sagt Holmes zu Doktor Watson: › In der lächelnden, wunderschönen Provinz gibt es mehr Böses als in den abscheulichsten Gassen von London. ‹ Oder so ähnlich.«
    »Tatsächlich?«
    »Seine Erklärung dafür lautet, dass man auf dem Land mit Dingen unbeobachtet davonkommt, mit denen man in der Stadt, wo immer andere Leute in der Nähe sind, niemals davonkommen würde.«
    »Ich verstehe. Tja, in diesem Fall hat das gestimmt, Ben.«
    »Heutzutage ist es genau umgekehrt«, sagte Cooper. »Da sind es die Städte, wo man unbeobachtet ist. Niemand achtet darauf, was man tut. Niemanden kümmert es, ob man seine Kinder misshandelt oder im Wohnzimmer Bomben bastelt. Hier dagegen interessieren sich die anderen dafür, was man tut.«
    Fry betrachtete die Pity Wood Farm, deren marode Wände von Gerüsten gehalten wurden und deren Dachschindeln in Löcher rutschten, die den Regen einließen, während Plastikfolien jämmerlich raschelten.
    »Das Problem ist«, sagte sie, »dass es das Böse trotzdem nicht verhindert.«
    Fry ging an der Wand entlang, um Cooper im Blick zu behalten. Der Boden war inzwischen nicht mehr ganz so aufgeweicht, doch sie rutschte noch
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